Liebe Leser,
in den vergangenen vier Wochen waren wir überaus umtriebig, so dass ich nicht dazu kam, diesen Blog zu aktualisieren. Erst jetzt, nachdem wir wohlbehalten aus dem östlichen Mittelmeerraum zurückgekehrt sind, finde ich wieder ein wenig Zeit zum Schreiben.
Die frühchristliche Basilika B in Philippi, 6. Jh. n. Chr. |
Doch der Reihe nach: Am 28. November verließen wir Athen nach knapp einem Monat, um uns weiter nach Osten vorzuarbeiten. Da die Fährverbindungen nach Cesme im Winter gar nicht oder bestenfalls spärlich verkehren, wollten wir über Nordgriechenland auf dem Landweg in die Türkei gelangen und dabei noch die ein oder andere archäologische Stätte besichtigen. Das makedonische Kernland mit Vergina, Dion und Pella übergingen wir dabei, da wir diese Region bereits 2009 ausführlicher bereist haben. Wir fuhren also bis auf die Chalkidike, wo uns der erste Wintereinbruch des Jahres im wahrsten Sinne des Wortes eiskalt erwischte. Nach einem milden und überaus angenehmen November in Athen fanden wir uns nach einigen Stunden bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt wieder. Wir verbrachten eine frostige Nacht, gefolgt von einem kaum weniger angenehmen Tag. Bei einem eisigen Nordwindes mussten wir für die beiden geplanten Besichtigungen von Olynth und Amphipolis unsere ganze fachliche Begeisterung motivieren. Entsprechend erschöpft kamen wir am Abend desselben Tages in Philippi an, das wir am nächsten Tag besuchten. Der archäologische Park von Philippi, das vor allem als eine der Etappen des Apostels Paulus Berühmtheit erlang hat, war zweifellos eine der schönsten und eindrucksvollsten Stätten, die wir während der ersten drei Monate besucht haben. Gleich vier gut erhaltene frühchristliche Kirchen, ein Theater, das Forum und weite Teile des Stadtareals sind hier zu besichtigen und vermitteln ein lebendiges Bild von kaiserzeitlich-spätantiken Städten. Für uns, die wir uns besonders für diese Zeit interessieren, eine wahre Fundgrube. Gerne hätten wir gleich mehrere Tage dort verbracht. Die ohnehin schon knapp bemessene Zeit, die wir für die Türkei eingeplant hatten, trieb uns jedoch noch am selben Nachmittag voran.
Noch bei Sonnenuntergang erreichten wir am 1. Dezember die Grenze zwischen Griechenland und der Türkei. Da sie zugleich eine der Außengrenzen der EU ist, kann sich der Grenzübertritt hier schonmal in die Länge ziehen. Wir passierten also einen Grenzfluss, einen griechischen und etwa vier türkische Grenzposten, an denen aber auch alles überprüft wurde. Nachdem zunächst unsere Personalien und unser Kofferraum überprüft worden waren, ging es an die Fahrzeugpapiere. Da ich nicht als Fahrer des Wagens eingetragen war, wollte uns die türkische Grenzpolizistin schon nicht passieren lassen. Als sie dann bemerkte, dass die junge Dame, die ich als meine Ehefrau angab, nicht einmal meinen Familiennamen trug, wurde die Situation zunehmend unangenehm. Nachdem Elisa selbst bestätigt hatte, dass sie tatsächlich meine Frau sei, und ich meinen unschuldigsten Hundeblick aufgesetzt hatte, durften wir letzten Endes doch alle drei passieren. Glück im Unglück!
Die frühbronzezeitlichen Mauern von Troja I, erste Hälfte des 3. Jt. v. Chr. |
Nach am selben Abend fuhren wir nach Eceabat und überquerten die Dardanellen, um uns in Canakkale in einem Hotel einzumieten. Mit der schön herausgeputzten, lebendigen, aber nicht allzu großen Hafenstadt, vor allem aber mit gemäßigten Temperaturen zeigte sich die Türkei gleich von ihrer besten Seite. Am nächsten Morgen besichtigten wir, nur eine halbe Autostunde von Canakkale entfernt, Troja! Nach den Tiryns, Mykene und dem Schliemann-Haus in Athen der Abschluss unserer Schliemann-Gedenktour. An ein und derselben Stelle sind hier die Reste von über 3000 Jahren Stadtgeschichte zu sehen, in der archäologischen Forschung Troja I bis Troja IX genannt. Auch wenn von einzelnen dieser Phasen nur mehr wenig zu sehen ist, hinterließ der Besuch der Stätte doch einen bleibenden Eindruck von der langen Kontinuität dieser Stadt von der frühen Bronzezeit bis in die Zeit Alexanders des Großen und der römischen Kaiser, die hier die mythischen Heroen der homerischen Epen verehrten.
Die bronzezeitlichen Mauern von Troja II und III, mittleres 3. bis frühes 2. Jt. v. Chr. |
In Gedanken über das Wesen des kulturellen Gedächtnisses versunken fuhren wir nach Pergamon weiter, wo uns der Winter wieder einholen sollte. Die Ankunft in Pergamon war für mich, nach den drei hier verbrachten Feldforschungskampagnen, wie eine Heimkehr. Dies war umso mehr der Fall, als wir in unserer Herberge zufällig die Keramologin Güler trafen, die ich noch von meinen pergamener Kampagnen her kannte. Natürlich musste ich Elisa auch die Stammwirtschaft unserer Surveymannschaft zeigen - Arzu's Pidebude - wo man mich nach immerhin vier Jahren noch wiedererkannte und äußerst zuvorkommend behandelte. Während wir in Pergamon von einigen alten Bekannten sehr herzlich empfangen wurden, erwies sich das Wetter als überaus unfreundlich. So stiegen wir schließlich bei unangenehm kühlen Temperaturen und Windgeschwindigkeiten von 50 Stundenkilometern auf den Burgberg, den Elisa ja aus eigener Anschauung noch nicht kannte.
Eine Zisterne in Selcuk mit Besucherin |
Auf dem Weg dorthin legten wir einen Zwischenstopp in Bursa ein. Auf dem Weg dorthin passierten wir verschneite Landschaften, die an den winterlichen Chiemgau erinnerten. In Bursa selbst holte uns das Großstadtleben ein. Die Stadt, die in den frühen 1980er Jahren gerade einmal eine halbe Million Einwohner zählte, beherbergt heute etwa zwei Millionen Menschen - eine Bevölkerungsentwicklung, die für andere türkische Metropolen wie Istanbul, Ankara oder Izmir durchaus charakteristisch ist. Der Ausbau der Infrastruktur konnte mit dieser Entwicklung ganz offenbar nicht Schritt halten, so dass wir bestenfalls im Schritttempo nach Bursa einfuhren. In Ermangelung einer vernünftigen Planung checkten wir im erstbesten Hotel ein, das sich im Gegensatz zu unseren bisherigen Unterkünften als geradezu luxuriös erwies. Auch die Stadt stellte sich als reizvoll heraus, besonders dank einiger alter Moscheen und des ausgedehnten Bazarviertels. Prunkstück dieses Quartiers ist der Koza Hani, der Seidenbasar, den wir natürlich auch besuchten.
Obwohl Istanbul nur gut zwei Autostunden von Bursa entfernt liegt, erreichten wir die Istanbuler Dependance des Deutschen Archäologischen Instituts erst gegen 17.00 Uhr: Entsprechend der Größenverhältnisse war auch der Stadtverkehr in Istanbul um ein vielfaches schlimmer, als der in Bursa. Dennoch: Eineinhalb Stunden, nachdem wir die Stadtgrenze passiert hatten, fanden wir in diesem Meer aus Plattenbauten und Wolkenkratzern auch den Taksim Platz und die Deutsche Botschaft, in der das DAI untergebracht ist. Schon bei meinem ersten Aufenthalt im DAI Istanbul vor einigen waren fühlte sich das Institut wie ein kleines Stück Deutschland an. So auch diesmal: Nach drei Wochen, in denen wir von einer günstigen Pension zur nächsten gezogen waren, waren wir nun selig ob der sauberen Küche und Bäder sowie des gut ausgestatteten Zimmers mit Blick auf den Bosporus. Vier Tage verbrachten wir hier - viel zu wenig, um Istanbul kennenzulernen, aber für Elisa immerhin die Möglichkeit, sich einen ersten Eindruck zu verschaffen.
Der Apollontempel von Didyma |
Tags darauf fuhren wir mit einem kleinen Umweg über die lydische Königgsstadt Sardis, Residenz des sprichwörtlich steinreichen Kroisos, nach Selcuk bei dem antiken Ephesos. Das kleine Antik Hotel Efes im Herzen des sympathischen Städtchens Selcuk sollte sich aufgrund seiner strategisch günstigen Lage, der günstigen Konditionen und des vergleichsweise gut temperierten Zimmers zu unserem wichtigsten Stütz- und Rückzugspunkt in der Westtürkei entwickeln. Der Besitzer Gürsel, ein einfacher aber herzlicher Zeitgenosse, nahm uns freundlich auf und gestattete uns auch, die Küche zu benutzen. Seine Frau bereitete uns jeden Morgen das traditionelle türkische Frühstück mit Gurken, Feta und Tomaten zu und wusch uns gegen ein kleines Entgelt die Wäsche. Alles in allem: Der ideale Ausgangspunkt für unsere Erkundungstouren in der Westtürkei. Von hier aus besuchten wir nicht nur die faszinierenden Ruinen der antiken Metropole Ephesos, die letzte erhaltene Säule des Artemistempels von Ephesos (eines der sieben Weltwunder der Antike) und die gewaltige Johannesbasilika. Im Zuge zahlreicher Tagesausflüge besichtigten wir auch den riesenhaften Apollontempel von Didyma, die sumpfige Großstadt Milet und das gut erhaltene Priene, Magnesia am Mäander mit seinem beeindruckenden Stadion und das Orakelheiligtum des Apollon von Klaros. Eine dreitägige Exkursion führte uns von Selcuk in's Landesinnere der antiken Kulturlandschaften Phrygien (Pamukkale, Hierapolis und Laodicea) und Karien (Aphrodisias und Nysa). Diese Orte und unsere Eindrücke kann ich hier unmöglich angemessen beschreiben, so dass die Bilder für sich sprechen müssen. Mit jedem Tag wurde in der Türkei auf's Neue klar, dass es in den geplanten drei Wochen unmöglich war, den historischen, kulturellen und landschaftlichen Reichtum dieses großen Landes auch nur ansatzweise zu fassen. Wir waren insofern letzten Endes froh, dass wir uns darauf beschränkt hatten, zumindest die wichtigsten westtürkischen Kulturlandschaften ein wenig besser kennenzulernen, bevor es nach Istanbul ging.
Auf dem Weg dorthin legten wir einen Zwischenstopp in Bursa ein. Auf dem Weg dorthin passierten wir verschneite Landschaften, die an den winterlichen Chiemgau erinnerten. In Bursa selbst holte uns das Großstadtleben ein. Die Stadt, die in den frühen 1980er Jahren gerade einmal eine halbe Million Einwohner zählte, beherbergt heute etwa zwei Millionen Menschen - eine Bevölkerungsentwicklung, die für andere türkische Metropolen wie Istanbul, Ankara oder Izmir durchaus charakteristisch ist. Der Ausbau der Infrastruktur konnte mit dieser Entwicklung ganz offenbar nicht Schritt halten, so dass wir bestenfalls im Schritttempo nach Bursa einfuhren. In Ermangelung einer vernünftigen Planung checkten wir im erstbesten Hotel ein, das sich im Gegensatz zu unseren bisherigen Unterkünften als geradezu luxuriös erwies. Auch die Stadt stellte sich als reizvoll heraus, besonders dank einiger alter Moscheen und des ausgedehnten Bazarviertels. Prunkstück dieses Quartiers ist der Koza Hani, der Seidenbasar, den wir natürlich auch besuchten.
Obwohl Istanbul nur gut zwei Autostunden von Bursa entfernt liegt, erreichten wir die Istanbuler Dependance des Deutschen Archäologischen Instituts erst gegen 17.00 Uhr: Entsprechend der Größenverhältnisse war auch der Stadtverkehr in Istanbul um ein vielfaches schlimmer, als der in Bursa. Dennoch: Eineinhalb Stunden, nachdem wir die Stadtgrenze passiert hatten, fanden wir in diesem Meer aus Plattenbauten und Wolkenkratzern auch den Taksim Platz und die Deutsche Botschaft, in der das DAI untergebracht ist. Schon bei meinem ersten Aufenthalt im DAI Istanbul vor einigen waren fühlte sich das Institut wie ein kleines Stück Deutschland an. So auch diesmal: Nach drei Wochen, in denen wir von einer günstigen Pension zur nächsten gezogen waren, waren wir nun selig ob der sauberen Küche und Bäder sowie des gut ausgestatteten Zimmers mit Blick auf den Bosporus. Vier Tage verbrachten wir hier - viel zu wenig, um Istanbul kennenzulernen, aber für Elisa immerhin die Möglichkeit, sich einen ersten Eindruck zu verschaffen.
Am 19. Dezember verließen wir diese laute und hektische, viel zu volle aber zauberhafte Stadt in Richtung Griechenland. Nach zwei langen Etappen, die wir gänzlich auf der jahrtausendealten Via Egnatia zurücklegten, gelangten wir am Abend des 20. Dezembers wieder im Epirus an. Um die Wartezeit zu verkürzen - unsere Fähre nach Ancona sollte erst in der Nacht vom 21. auf den 22. Dezember ablegen - besichtigten wir noch schnell das mutmaßliche Totenorakel (Nekromanteion) von Ephyra. Hier überraschten uns dann doch noch einmal geradezu frühlingshafte Temperaturen. Einige lange Stunden des Wartens später schifften wir uns in Igoumenitsa ein, müde und erschöpft, aber voller großartiger Eindrücke ...
Inzwischen sind wir wieder in Italien angekommen und können die ersten drei Monate des Reisestipendiums nun, während einiger ruhigerer Tage, Revue passieren lassen.
Euch allen wünschen wir ebenso ein paar ruhige und schöne Feiertage!
Lasst es Euch gut gehen!
Der Bosporus bei Nacht |
Liebe Grüße,