Nun sind wir schon seit knappen vier Wochen in Athen und mit der Zeit ist mir auch diese Stadt ein wenig heimisch geworden: Ich kenne inzwischen die Wege von einem Ort zum anderen, hin und wieder auch die besten und kürzesten. Das Stadtbild ist mir vertraut, die Position der verschiedenen Einkaufsmöglichkeiten bekannt. Für Elisa ist das natürlich alles nichts Neues, sie hat hier ja schon mit den Amerikanern auf der Agora ausgegraben und einige längere Forschungsaufenthalte verbracht. Zum ersten Mal sind wir aber nun zusammen für einen längeren Zeitraum hier.
Da wir hier über eine eigene kleine Wohnung verfügen, konnten wir die vergangenen Wochen beinahe ein normales Leben führen. Besonders froh sind wir über die Küche, auch wenn sie weder besonders geräumig, noch sonderlich gut ausgestattet ist. Aber allein der Umstand, nicht ständig auf Pita Gyros, Tiropita und das sonstige, durchweg ölige Fastfood angewiesen zu sein, ist uns sehr viel wert. Von der Xenophobie insbesondere gegenüber uns Deutschen, die ja nördlich der Alpen immer wieder beschworen wird, habe ich in diesem gesamten Monat nichts gespürt. Ganz im Gegenteil: Man kann sich als aufgeklärter Mitteleuropäer in diesem Land sicherlich über das ein oder andere beschweren, etwa über den etwas zu kreativen Fahrstil vieler Griechen oder über die fehlende Sensibilität für das Trennen des Mülls; aber eine feindselige Haltung, die Fremden gegenüber offen an den Tag gelegt wird, kann man den Griechen sicher nicht vorwerfen. Trotzdem hält sich bei uns seit einigen Jahren hartnäckig das unbestimmte Gefühl, die Griechen würden uns nun hassen. Am liebsten möchte man die mittelmäßigen Schreiberlinge, die mit Blick auf die Auflage ihrer Zeitschriften diesen Unglauben nähren, bis ans Ende ihrer Tage zum Trennen des Mülls auf attische Müllkippen versetzen.
Laufende Forschungen auf der Agora von Athen |
Während sich Elisa in den letzten Wochen vor allem Ihrer Dissertation widmete, nutzte ich die Zeit zunächst, um Athen, Attika und die nähergelegenen Regionen Griechenlands besser kennenzulernen. In ersterem Fall ließen sich unsere beiden Anliegen gut verbinden und so haben wir einige Denkmäler, die Elisa in Ihrer Arbeit behandelt, zusammen besucht und eingehend in Augenschein genommen. Freilich gab es hier auch noch einige weniger bekannte Museen, die ich bislang noch nicht persönlich besuchen konnte. Das wollte ich im Zuge meines Athen Aufenthalts unbedingt nachholen: So habe ich etwa das Benaki-Museum besichtigt, das die Geschichte Griechenlands bis in die heutige Zeit visualisiert. Gestern war ich in der Stadtvilla unseres Kollegen Heinrich Schliemann, in dem heute ein numismatisches Museum untergebracht ist.
Kap Sounion |
Vor allem wollte ich die Gelegenheit aber nutzen, um mir ein vernünftiges Bild von der Topographie Attikas zu verschaffen, also der Halbinsel, auf der Athen liegt. Ich unternahm daher, während Elisa die Bibliotheken des DAI und der Scuola Archeologica d'Atene unsicher machte, diverse Tagesausflüge in alle Himmelsrichtungen: Nach Westen, zum Heiligtum der Demeter in Eleusis, wo sich die Athener in den dort praktizierten Mysterienkult einweisen ließen, und nach Piräus, dem antiken Hafen der Stadt; nach Osten, zum Artemisheiligtum von Brauron, in dem die Athener ihre Mädchen erziehen ließen, und zum Schlachtfeld von Marathon, an dem Athener 490 v. Chr. die zahlenmäßig weit überlegenen Perser schlugen und somit den Mythos eines kulturellen Gegensatzes zwischen Orient und Okzident begründeten; nach Süden, zum Poseidonheiligtum von Sounion, das heute auf einem malerischen Kap liegt, in der Antike aber von einem gewaltigen Bergbaurevier gerahmt wurde. Es ist interessant zu beobachten, wie sich beim Besuch dieser Orte nach und nach ein Puzzleteil zu dem anderen fügt. Trotz des Studiums hatte ich bislang nur ein sehr lückenhaftes Bild von dem, was Athen in klassischer Zeit war. Freilich, man hört und liest von Perikles, der Akropolis und der Agora. Aber wie diese Stadt funktionierte und dass die idealisierten Bewohner des klassischen Athen letztlich auch nur ganz gewöhnliche Menschen waren, erschloss sich mir erst durch den Besuch all dieser Orte. Wer denkt schon beim Blick auf Kap Sounion daran, dass der Himmel über dem Tempel in klassischer Zeit von finsterem Rauch bedeckt gewesen sein muss? In nahezu kapitalistischer Manier wurden über zwei Jahrhunderte hinweg die nahegelegenen Berge ausgebeutet und überall Silber- und Eisenerz verhüttet!
Der Poseidontempel von Kap Sounion |
Akrokorinth (zumindest ein kleiner Teil davon) |
Schließlich haben Elisa und ich zwei gemeinsame Ausflüge unternommen. Der erste Ausflug führte uns nach Korinth, der Stadt nach der eine Rosinensorte benannt ist: In der Antike aufgrund seiner Lage an der Landenge des Isthmos eine der größten und wichtigsten Metropolen des Mittelmeerraums, heute ein kleines Städtchen ohne nennenswerte Bedeutung. Das Ausgrabungsareal ist zwar sehr interessant, aber mindestens ebenso unübersichtlich und daher für Besucher leider nur schwer verständlich. Das wahre Highlight des Tages war der Aufstieg nach Akrokorinth, auf den Burgberg der Stadt. 600 m über dem Meer liegen auf diesem steil aufragenden Bergkegel die größten Festungsanlagen Griechenlands. Aufgrund der einmaligen Lage wurde die antike Burg denn auch von den wechselnden Herren Griechenlands - Byzantinern, Franken, Venezianern und Türken - übernommen und ausgebaut. Vom Gipfel aus ergab sich ein wunderbarer Blick auf die benachbarten Berge, den Isthmos und die zwei großen Buchten, die sich hier fast berühren.
Ein dreitägiger Ausflug führte uns zuletzt nach Südwesten. Wir hatten uns vorgenommen, zumindest den wichtigsten Stätten der Peloponnes einen Besuch abzustatten, die Rechnung aber ohne das Wetter gemacht. So ergab es sich dann, dass wir eine ganze Reihe bezaubernder Orte im teils strömenden Regen besuchen mussten. Darunter die antike Großstadt Messene, das mürrische Sparta und die byzantinische Geisterstadt Mystra. Letzte war zumindest in thematischer Hinsicht eine willkommene Abwechslung nach all den antiken Stätten. Die bei Sparte gelegene, hervorragend erhaltene mittelalterliche Ruinenstadt Mystra zeigt, dass Griechenland mehr, als nur antike zu bieten hat. Aufgrund des Wetters mussten wir uns allerdings sputen, um nicht bis auf die Knochen durchnässt zu werden. Immerhin verdanken wir der Witterung ein paar sehr stimmungsvolle Photographien. Am Abend desselben Tages kamen wir in Nauplion an, der ersten Hauptstadt Griechenlands in der Neuzeit. Der Ort ist bekannt für seine malerische Altstadt, wovon wir uns bei einem abendlichen Spaziergang überzeugen konnten. Inzwischen hatte sich auch das Wetter wieder gebessert, so dass wir am dritten Tag bei strahlendem Sonnenschein zunächst das Bayerische Kriegerdenkmal von Nauplion, die bronzezeitlich Festung Tiryns und das antike Argos besuchen konnten. Mykene, die Königsstadt des mythischen Agamemmnon, stellte vor unserer Rückfahrt nach Athen die letzte Etappe dar. Dank des schönen Wetters ein versöhnlicher Abschluss unserer Rundfahrt und unseres Aufenthalts in Athen, denn morgen brechen wir in Richtung Türkei auf.
Triumph über den Berg |
Wir hoffen, Euch allen geht es gut, wo auch immer Ihr seid.
Liebe Grüße von uns Reisenden!
Mystra im Regen |
Hey Ihr Zwei!
AntwortenLöschenIch werde leider immer etwas neidisch, wenn ich euren Blog lese. Zwar kann ich nicht klagen über einen Mangel an Mobilität, aber die Kultur kommt ein bisschen zu Kurz. :-) Zum Glück ist nach dem 18.12. voraussichtlich erst mal Ende Gelände und ich kann mich um unsere (?) Sylvesterplanung kümmern und ausführlich Reisevorbereitungen Richtung Kanada (!) starten.
Dort will ich dann auch so schöne Fotos wie ihr machen. Auch wenn da oben voraussichtlich weniger bearbeitete Steine rumstehen.
Wie lang seid ihr denn noch in Athen? Danach gehts in die Türkei, oder?
Freue mich schon auf Updates. Hier habt ihr übrigens schon den ersten Schnee verpasst. Da ist die Elisa bestimmt traurig, nicht war? ;-)
Viele Baccis,
der Sir!
Wir sind schon in der Türkei! Gestern sind wir in Cankkale angekommen, haben heute Troja besichtigt und sind nach Pergamon weitergefahren. Aber keine Angst: Wir brauchen keinen Schnee, um zu frieren. Leider erwischen wir zunehmend häufig eher mässiges Wetter und die Unterkünfte sind in diesen Breitengraden nicht immer top isoliert. Warmwasser gehört leider auch nicht immer zum Standard. Also keine Sorgen: Elisa kommt voll auf ihre Kosten und ich denke manchmal auch mit Sehnsucht an gut isolierte, schön überheizte deutsche Wohnungen!
AntwortenLöschenTanti baci und saluti von uns beiden!