Freitag, 1. November 2013

Kanali, Provinz Preveza, Nordwestgriechenland

Inzwischen haben Elisa und ich Rom verlassen und sind nach Griechenland weitergereist. Derzeit befinden wir uns in einer netten kleinen Ferienwohnung in der Villa Pappas, im inzwischen nahezu verwaisten Badeort Kanali nahe der lebendigen kleinen Hafenstadt Preveza. Um nachzuerzählen, wie wir bis hierher gelangt sind, muss ich jedoch zunächst an den letzten Eintrag anknüpfen.


Also zurück nach Norditalien: Nachdem ich gemeinsam mit den Friedls Aquileia besichtigt hatte, brachte ich sie zur Stazione Centrale von Padova. Von dort aus fuhr ich zunächst allein weiter, begleitet vom sich zunehmend verschlechternden Wetter. Auf dem Weg nach Prato, wo Elisa mich erwartete, musste ich mit unserem kleinen Toyota Corolla (Fiore) den Apennin überqueren. Bei Hochnebel, Sturm und starkem Regen mühte sich unser Corolla die hohen Pässe hinauf. An der Grenze zwischen Emilia Romagna und Toscana dann die ersten Sonnenstrahlen des Tages. Gegen Abend kam ich dann reichlich müde in Prato an.


Hier blieb ich bis zum 16. Oktober. Wir feierten Elisas Geburtstag - zunächst mit ihren Freunden, dann mit der Verwandtschaft in San Giustino Valdarno bei der nonna. Wie üblich wurde dort reichlich gekocht. Alles in Allem blieb ich knappe neun Tage bei Elisa und meiner Schwiegermutter Monica. Zur gleichen Zeit weilte meine Mit-Reisestipendiaten Sabine Neumann im nahen Pistoia, wohin sie aus dem teuren und stets überfüllten Florenz geflüchtet war. Neben den obligatorischen Besuchen bei der Verwandtschaft nützte ich die Zeit in der Toscana, um einige kulturell interessante Stätten in der näheren Umgebung zu besuchen. Sabine begleitete mich nach Luni und nach Lucca.

Bei Luni, dem modernen Carrara, befinden sich am Fuss der apuanischen Alpen und nahe der ligurischen Küste die ältesten Marmorbrüche Italiens, die von den Römern im 1. Jh. v. Chr. erschlossen wurden. Erst die Ausbeutung dieser Brüche gestattete es Augustus und seinen Nachfolgern, Rom von einer Stadt aus Ziegeln in eine marmorne Metropole zu verwandeln. Selbstverständlich gründeten die Römer in der Nähe der Brüche eine Siedlung, die bis weit ins Mittelalter bewohnt war. Es überrascht denn auch kaum, dass die Reste der antiken Stadt überreich mit Marmor ausgestattet sind. Ausgegraben wurde nur ein kleiner Teil des Stadtareals. Hier ist neben dem eben erwähnten Dekor vor allem zu sehen, wie antikes Krisenmanagment funktionierte: Nach einem Erdbeben im 5. Jh. n. Chr. wurden öffentliche Gebäude und Plätze offenbar nicht mehr in der ursprünglichen Form wiederaufgebaut, sondern, um die Kasse der Stadt zu schonen, Privatleuten als Baugrund überlassen. Dass die Bauten dabei einer neuen, privaten Nutzung zugeführt worden, wurde offensichtlich als das kleinere Übel angesehen.


Piazza Anfiteatro (Lucca)

Lucca liegt etwa auf halbem Weg zwischen Prato und Luni. Die Stadt zeichnet sich unter anderem durch die am besten erhaltene neuzeitliche Stadtbefestigung Europas aus. Von den antiken Bauten ist dagegen nur noch wenig zu sehen. Kurios ist jedoch die Piazza Anfiteatro: Die Ränge des römischen Amphitheaters, der ovalen Arena, wurden im Mittelalter durch Wohnhäuser überbaut, die noch heute erhalten sind. Nicht überbaut wurde dagegen der Schauplatz in der Mitte der Anlage, so dass die mittelalterlichen Häuser heute einen ovalen Platz einfassen und die Ausdehnung des antiken Amphitheaters noch genau nachvollziehen lassen.

Romanische Basilika San Michele in Foro (Lucca)

Überhaupt sind die mittelalterlichen Bauten die wahren Protagonisten von Lucca, vor allem die hohen, schlanken Geschlechtertürme mit ihren Dachgärten und die zahllosen romanischen Basiliken und Kapellen.





Von diesen beiden Orten abgesehen besuchten Elisa und ich auf dem Weg nach San Giustino den beschaulichen kleinen Ort Artimino: Ein Toscana-Kleinod, wie es der deutsche Urlauber besonders gerne sieht: Artimino liegt auf der Kuppe eines grünen, von lichten Olivenhainen und Weinstöcken bestandenen Hügels. Nach Norden öffnet sich der Ausblick auf das dicht besiedelte Tal der Flüsse Ombrone und Bisenzio, nach Osten auf die mediceische Villa La Ferdinanda, im Süden schweift der Blick hingegen über sanfte Weinberge und grüne Hügel. Auf den Resten einer etruskischen Siedlung, über die im modernen Museum des Dörfchens Einiges zu erfahren ist, wurde im Mittelalter ein befestigtes Städtchen angelegt.



Artimino und Villa La Ferdinanda

Schließlich fand ich auch noch die Zeit, Bologna zu besuchen. Seit meinem Auslandssemester im Winter 2006/07 war ich nicht mehr hier gewesen und auch damals hatte ich nur wenig Zeit gehabt. Die gewaltigen, allerdings nie vollendete gotische Basilika im Herzen der Stadt und das nahe gelegene archäologische Museum hatte ich bereits damals besichtigt, sind aber immer wieder lohnenswert. Im Museum wurde ich positiv überrascht: Einige Sektionen waren doch tatsächlich vor Kurzem erneuert worden. Tatsächlich erinnere ich mich noch sehr gut an die altbackene Dauerausstellung, die ich seinerzeit zu sehen bekam. Mit viel Gespür für Didaktik und informativen Texten hat man seitdem immerhin den ersten Saal renoviert. Außer diesen beiden alten Bekannten wollte ich - warum war mir selbst zunächst nicht ganz klar - den Komplex von Santo Stefano besuchen. Tatsächlich entpuppte sich diese Anlage von mehreren ineinander verschachtelten Kirchen, Kapellen und einem Baptisterium als der vielleicht spannendste Ausflug in die Geschichte Bolognas. Über den Resten eines heidnischen Heiligtums der ägyptischen Götten Isis hatten die Frühchristen hier um das 5. Jahrhundert eine erste Basilika errichtet. Über das gesamte Mittelalter hinweg wurde der Komplex ausgebaut und mit verschiedensten Elementen ausgestattet. Das vielleicht interessanteste Objekt ist eine Säule, an der Jesus unter Pontius Pilatus gegeißelt worden sein soll. Der Inschrift zufolge sollen jedem, der diese Säule besucht, 200 Jahre Fegefeuer erlassen werden! Na dann ...



2 Kommentare:

  1. Hui jetzt habe ich den Eintrag glatt ein paar Tage lang nicht bemerkt. War aber auch reichlich was los hier.

    Das Foto vom Piazza Anfiteatro gefällt mir wahnsinnig gut. Ich war noch nie im Herbst im Mittelmeerraum. Mit den Regenpfützen das wirkt total surreal für mich. Gehört sich doch eigentlich so, dass es da immer strahlenden Sonnenschein hat.

    Es liest sich auf jeden Fall sehr unterhaltsam. Also immer schön weiterschreiben und viele Fotos machen.

    Was machst Du jetzt eigentlich mit den 200 Jahren? Musstest du damit Kredit begleichen, oder ist da jetzt noch was offen? Dann könnten wa ja mal ordentlich auf den Putz hauen!

    Viele Grüße aus dem richtig sonnigen Tübingen,
    der Sir!

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    1. Freut mich, dass Du so fleißig am Ball bleibst. Mit den 200 Jahren begleiche ich erstmal die bereits begangenen Sünden. Aber was ich noch nicht geschrieben habe: Die 200 Jahre werden einem jedes Mal erlassen, wenn man die Säule sieht! Das heißt: Sündigen - Säule sehen - Sündigen - Säule sehen usw. usf.

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