Donnerstag, 28. November 2013

Athen - Auf ein Neues ...

Liebe Leser!

Nun sind wir schon seit knappen vier Wochen in Athen und mit der Zeit ist mir auch diese Stadt ein wenig heimisch geworden: Ich kenne inzwischen die Wege von einem Ort zum anderen, hin und wieder auch die besten und kürzesten. Das Stadtbild ist mir vertraut, die Position der verschiedenen Einkaufsmöglichkeiten bekannt. Für Elisa ist das natürlich alles nichts Neues, sie hat hier ja schon mit den Amerikanern auf der Agora ausgegraben und einige längere Forschungsaufenthalte verbracht. Zum ersten Mal sind wir aber nun zusammen für einen längeren Zeitraum hier.

Da wir hier über eine eigene kleine Wohnung verfügen, konnten wir die vergangenen Wochen beinahe ein normales Leben führen. Besonders froh sind wir über die Küche, auch wenn sie weder besonders geräumig, noch sonderlich gut ausgestattet ist. Aber allein der Umstand, nicht ständig auf Pita Gyros, Tiropita und das sonstige, durchweg ölige Fastfood angewiesen zu sein, ist uns sehr viel wert. Von der Xenophobie insbesondere gegenüber uns Deutschen, die ja nördlich der Alpen immer wieder beschworen wird, habe ich in diesem gesamten Monat nichts gespürt. Ganz im Gegenteil: Man kann sich als aufgeklärter Mitteleuropäer in diesem Land sicherlich über das ein oder andere beschweren, etwa über den etwas zu kreativen Fahrstil vieler Griechen oder über die fehlende Sensibilität für das Trennen des Mülls; aber eine feindselige Haltung, die Fremden gegenüber offen an den Tag gelegt wird, kann man den Griechen sicher nicht vorwerfen. Trotzdem hält sich bei uns seit einigen Jahren hartnäckig das unbestimmte Gefühl, die Griechen würden uns nun hassen. Am liebsten möchte man die mittelmäßigen Schreiberlinge, die mit Blick auf die Auflage ihrer Zeitschriften diesen Unglauben nähren, bis ans Ende ihrer Tage zum Trennen des Mülls auf attische Müllkippen versetzen.
Laufende Forschungen auf der Agora von Athen

Während sich Elisa in den letzten Wochen vor allem Ihrer Dissertation widmete, nutzte ich die Zeit zunächst, um Athen, Attika und die nähergelegenen Regionen Griechenlands besser kennenzulernen. In ersterem Fall ließen sich unsere beiden Anliegen gut verbinden und so haben wir einige Denkmäler, die Elisa in Ihrer Arbeit behandelt, zusammen besucht und eingehend in Augenschein genommen. Freilich gab es hier auch noch einige weniger bekannte Museen, die ich bislang noch nicht persönlich besuchen konnte. Das wollte ich im Zuge meines Athen Aufenthalts unbedingt nachholen: So habe ich etwa das Benaki-Museum besichtigt, das die Geschichte Griechenlands bis in die heutige Zeit visualisiert. Gestern war ich in der Stadtvilla unseres Kollegen Heinrich Schliemann, in dem heute ein numismatisches Museum untergebracht ist.



Kap Sounion
Vor allem wollte ich die Gelegenheit aber nutzen, um mir ein vernünftiges Bild von der Topographie Attikas zu verschaffen, also der Halbinsel, auf der Athen liegt. Ich unternahm daher, während Elisa die Bibliotheken des DAI und der Scuola Archeologica d'Atene unsicher machte, diverse Tagesausflüge in alle Himmelsrichtungen: Nach Westen, zum Heiligtum der Demeter in Eleusis, wo sich die Athener in den dort praktizierten Mysterienkult einweisen ließen, und nach Piräus, dem antiken Hafen der Stadt; nach Osten, zum Artemisheiligtum von Brauron, in dem die Athener ihre Mädchen erziehen ließen, und zum Schlachtfeld von Marathon, an dem Athener 490 v. Chr. die zahlenmäßig weit überlegenen Perser schlugen und somit den Mythos eines kulturellen Gegensatzes zwischen Orient und Okzident begründeten; nach Süden, zum Poseidonheiligtum von Sounion, das heute auf einem malerischen Kap liegt, in der Antike aber von einem gewaltigen Bergbaurevier gerahmt wurde. Es ist interessant zu beobachten, wie sich beim Besuch dieser Orte nach und nach ein Puzzleteil zu dem anderen fügt. Trotz des Studiums hatte ich bislang nur ein sehr lückenhaftes Bild von dem, was Athen in klassischer Zeit war. Freilich, man hört und liest von Perikles, der Akropolis und der Agora. Aber wie diese Stadt funktionierte und dass die idealisierten Bewohner des klassischen Athen letztlich auch nur ganz gewöhnliche Menschen waren, erschloss sich mir erst durch den Besuch all dieser Orte. Wer denkt schon beim Blick auf Kap Sounion daran, dass der Himmel über dem Tempel in klassischer Zeit von finsterem Rauch bedeckt gewesen sein muss? In nahezu kapitalistischer Manier wurden über zwei Jahrhunderte hinweg die nahegelegenen Berge ausgebeutet und überall Silber- und Eisenerz verhüttet!

Der Poseidontempel von Kap Sounion


Von diesen näheren Orten im Umland Athens abgesehen, musste ich natürlich auch einige Highlights besuchen, die ich bei meinen bisherigen Aufenthalten in Griechenland nicht gesehen hatte. Dazu zählten zunächst die beiden panhellenischen (= gesamtgriechischen) Heiligtümer von Nemea und Isthmia, an denen Griechen aus allen Teilen des Mittelmeerraums wie in Olympia und Delphi im Vierjahres-Rhythmus zu internationalen Spielen zusammenkamen. Die Nemeischen Spiele werden übrigens seit einigen Jahren - gewissermaßen als Gegensatz zu den kommerziell ausgeschlachteten olympischen Spielen - wieder veranstaltet. Nicht nur der Sieger, sondern alle Teilnehmer erhalten nach antiker Tradition einen Kranz aus Sellerie ... irgendwie sympathisch.


Akrokorinth (zumindest ein kleiner Teil davon)

Schließlich haben Elisa und ich zwei gemeinsame Ausflüge unternommen. Der erste Ausflug führte uns nach Korinth, der Stadt nach der eine Rosinensorte benannt ist: In der Antike aufgrund seiner Lage an der Landenge des Isthmos eine der größten und wichtigsten Metropolen des Mittelmeerraums, heute ein kleines Städtchen ohne nennenswerte Bedeutung. Das Ausgrabungsareal ist zwar sehr interessant, aber mindestens ebenso unübersichtlich und daher für Besucher leider nur schwer verständlich. Das wahre Highlight des Tages war der Aufstieg nach Akrokorinth, auf den Burgberg der Stadt. 600 m über dem Meer liegen auf diesem steil aufragenden Bergkegel die größten Festungsanlagen Griechenlands. Aufgrund der einmaligen Lage wurde die antike Burg denn auch von den wechselnden Herren Griechenlands - Byzantinern, Franken, Venezianern und Türken - übernommen und ausgebaut. Vom Gipfel aus ergab sich ein wunderbarer Blick auf die benachbarten Berge, den Isthmos und die zwei großen Buchten, die sich hier fast berühren.


Triumph über den Berg
Ein dreitägiger Ausflug führte uns zuletzt nach Südwesten. Wir hatten uns vorgenommen, zumindest den wichtigsten Stätten der Peloponnes einen Besuch abzustatten, die Rechnung aber ohne das Wetter gemacht. So ergab es sich dann, dass wir eine ganze Reihe bezaubernder Orte im teils strömenden Regen besuchen mussten. Darunter die antike Großstadt Messene, das mürrische Sparta und die byzantinische Geisterstadt Mystra. Letzte war zumindest in thematischer Hinsicht eine willkommene Abwechslung nach all den antiken Stätten. Die bei Sparte gelegene, hervorragend erhaltene mittelalterliche Ruinenstadt Mystra zeigt, dass Griechenland mehr, als nur antike zu bieten hat. Aufgrund des Wetters mussten wir uns allerdings sputen, um nicht bis auf die Knochen durchnässt zu werden. Immerhin verdanken wir der Witterung ein paar sehr stimmungsvolle Photographien. Am Abend desselben Tages kamen wir in Nauplion an, der ersten Hauptstadt Griechenlands in der Neuzeit. Der Ort ist bekannt für seine malerische Altstadt, wovon wir uns bei einem abendlichen Spaziergang überzeugen konnten. Inzwischen hatte sich auch das Wetter wieder gebessert, so dass wir am dritten Tag bei strahlendem Sonnenschein zunächst das Bayerische Kriegerdenkmal von Nauplion, die bronzezeitlich Festung Tiryns und das antike Argos besuchen konnten. Mykene, die Königsstadt des mythischen Agamemmnon, stellte vor unserer Rückfahrt nach Athen die letzte Etappe dar. Dank des schönen Wetters ein versöhnlicher Abschluss unserer Rundfahrt und unseres Aufenthalts in Athen, denn morgen brechen wir in Richtung Türkei auf.

Wir hoffen, Euch allen geht es gut, wo auch immer Ihr seid.

Liebe Grüße von uns Reisenden!

Mystra im Regen

Dienstag, 12. November 2013

Athen: Es herbstelt

Inzwischen sind wir dann auch schon seit zwei Wochen in Griechenland. Am 28. Oktober sind Elisa und ich von Rom abgefahren, um uns über Benevent und Bari nach Südosten vorzuarbeiten.

Der Trajansbogen von Benevent und der Autor des Blogs
Das kleine, schon reichlich süditalienische Benevent hat sich trotz geringer Erwartungen als historisch interessantes Städtchen inmitten des Hochlands östlich von Neapel erwiesen. Der Legende zufolge hieß die Stadt ursprünglich Maleventum ("schlechtes Ereignis"), wurde aber von den Römern nach dem erfolgreichen Ausgang einer Schlacht gegen den griechischen König Pyrrhus an diesem Ort in Beneventum ("gutes Ereignis") umgetauft. Aushängeschild der Stadt und UNESCO-Weltkulturerbe ist der berühmte Trajansbogen, mit dem der römische Senat im frühen 2. Jh. n. Chr. den Ausbau einer durch Benevent führenden, bedeutenden Fernstraße durch den gleichnamige Kaiser feierte. Besonders die Unterkunft - die malerisch in den grünen Hügeln gelegene, in dieser Jahreszeit ausgestorbene Ferienanlage Villa Merici bei San Leucio del Sannio - hat dazu beigetragen, dass wir Italien nur schweren Herzens verlassen haben. Die Anlage wurde erst vor kurzem erbaut und ich war doch tatsächlich der erste Gast aus Deutschland, wie uns die Wirtin erzählt hat. Dementsprechend ist alles neu, die Zimmer wunderschön, sauber und geschmackvoll eingerichtet. Die Wirtsleute waren von einer herausragenden Freundlichkeit und der für Süditalien fast schon üblichen Herzlichkeit. Der Koch des zugehörigen Restaurants war wohl schon im Urlaub, die Wirtin hat uns aber angeboten, uns zum Abendessen "schnell eine Kleinigkeit herzurichten, nichts Besonderes". Tatsächlich hat sie uns dann mit einem opulenten Diner aufgewartet, verschiedenste Spezialitäten der Region und ein herausragender Weißwein. Italien hätte sich schlechter verabschieden können ...

Am Abend des 29. Oktober schifften wir uns in Bari ein. Außer uns und einigen wenigen Rucksacktouristen waren vor allem übergewichtige LKW-Fahrer an Bord, die im Schlafsaal des Schiffs um die Wette schnarchten. Als wir nach der etwa achtstündigen Überfahrt gegen 5.30 Uhr in Igoumenitsa anlegten, waren wir alles andere als ausgeruht. Froh, die Schnarcher loszuwerden, begaben wir uns so schnell wie möglich in den Bauch des stählernen Ungetüms. In unserem Toyota mussten wir dann ein knappes Stündchen warten, bis wir als letzte von Bord gehen konnten. Ein spektakulärer Augenblick belohnte uns für die wenig erholsame Überfahrt: Wir fuhren genau in dem Moment nach Osten aus dem weit geöffneten Maul des Stahlkolosses in den Hafen von Igoumenitsa, als hinter den steil aufragenden Bergen die erste Morgenröte auftauchte. Griechenland versuchte bei unserer Ankunft, den Abschied aus Italien verblassen zu lassen.

Die Farben des Herbstes bei Dodona
Auf der Fahrt zum Zeusheiligtum von Dodona, das etwa 60 Kilometer landeinwärts in einem abgelegenen Hochtal liegt, überboten sich denn auch die landschaftlichen Eindrücke gegenseitig. Das schroffe Hochgebirge der nordgriechischen Region Epirus mit seinen felsigen Berggipfeln und den tief eingeschnittenen Tälern, in denen der Nebel erst langsam von den ersten Sonnenstrahlen vertrieben wurde, war ein einmaliges Erlebnis. Inmitten dieser atmosphärischen Landschaft lag Dodona, kultisches Zentrum von Epirus und eines der berühmtesten Orakelheiligtümer der griechischen Welt, das schon von Homer besungen wurde. Da wir bereits bei Öffnung der Ausgrabungsstätte vor dem Tor standen, konnten wir noch vor dem Mittagessen in das nahegelegene Ioannina weiterfahren, in dem wir unser erstes Quartier bezogen. Nicht einmal halb so groß wie Augsburg ist Ioannina für griechische Verhältnisse eine ausgewachsene Großstadt und dementsprechend geschäftig. Das moderne Museum beherbergt die wichtigsten archäologischen Funde der Region und bot sich damit als Ergänzung zu den monumentalen Resten von Dodona an.

Ein spätklassisches Wohnhaus in Orraon
Am nächsten Tag fuhren wir bereits weiter nach Süden, um meinen Geburtstag nahe der Küste in der kleinen Hafenstadt Preveza zu feiern, die wir bereits von einem früheren Besuch kannten. Einige Kilometer nördlich von Preveza mieteten wir uns für zwei Nächte zu sagenhaften Konditionen in der (wieder einmal verwaisten) Ferienanlage Villa Pappas ein, nur wenige Meter von der Adriaküste entfernt. Ein idealer Ort nicht nur, um beim Laufen am Strand die Sonne im Meer untergehen zu sehen, sondern auch als Ausgangspunkt für Ausflüge in der Region. Den Abend des 31. Oktober verbrachten wir in Preveza. Dort aßen wir unter freiem Himmel Meeresfrüchte, für die der Ort bekannt ist. Soweit ich mich erinnere das erste Mal, dass ich an meinem Geburtstag abends im Freien essen konnte. Zahlreiche archäologische Stätten in der näheren Umgebung lockten uns ebenfalls, zwangen uns aber zur Selektion. Die nächste Stätte, Nikopolis, kannten wir schon von einem früheren Besuch. Eine weitere, das sagenumwobene Nekromanteion von Ephyra, war geschlossen. Wir entschieden uns also letztlich für Kassope und Orraon: Zwei mittelgroße Städte der spätklassischen Zeit (4. Jh. v. Chr.), die das gewonnene Bild der Region ergänzen konnten. In Kassope waren Reste der Agora (des zentralen Platzes), in Orraon dagegen die Wohnhäuser besonders gut erhalten - beide Male vor einer großartigen landschaftlichen Kulisse.


Gut und gerne hätten wir noch länger in Epirus verweilen können, das uns durch seine Natur und die schön gelegenen antiken Orte verzaubert hat. Elisa erwartete in Athen jedoch noch viel Arbeit, auf mich warteten noch zahlreiche andere Orte, so dass wir uns am 2. November weiter nach Südosten vorarbeiteten. Am Abend desselben Tages kamen wir dann auch in Athen an. Hier bezogen wir sofort die kleine Einzimmerwohnung, die wir zu günstigen Konditionen angemietet haben. Die Eigentümerin Ambra, eine junge Italienerin, die an der Scuola Archeologica d'Atene (gewissermaßen dem Italienischen Archäologischen Institut Athen) arbeitet, vermietet die Wohnung in Zeiten ihrer Abwesenheit an Bekannte. Für uns ein Glücksfall, denn die Wohnung liegt zentral nur einen Steinwurf von der Akropolis entfernt in einem ruhigen Wohnviertel. Die Miete ist weitaus geringer, als der Betrag, den wir für die Nächtigung im Deutschen Archäologischen Institut zahlen müsste (auch wenn ich dort umsonst unterkäme). Die Küche ist ausreichend gut ausgestattet, um zumindest einige einfachere Gerichte zu kochen und so können wir uns hier selbst versorgen. Alles in allem ideale Bedingungen, um Athen, Attika und Mittelgriechenland zu besuchen. Doch dazu ein andermal mehr ...

Wir hoffen, Euch allen geht es gut, wo auch immer Ihr seid!
Liebe Grüße, tanti baci und bis bald,

Marcel und Elisa

Donnerstag, 7. November 2013

Athen im Spätsommer


Inzwischen sind wir dann auch in Athen angekommen. Das Wetter war bis vorgestern traumhaft - jedenfalls sehr viel besser als der größte Teil des Kölner Sommers ... Elisa kennt die Stadt ja ohnehin schon gut genug und ist froh, dass sie hier konzentriert arbeiten kann. Ich mache derweil Athen und Attika unsicher. Bevor ich davon berichte, will ich allerdings noch mein Versprechen einlösen und die restlichen Erlebnisse aus Italien nachtragen.

Am 16. Oktober fuhr ich mit Sabine nach Rom (Elisa kam einige Tage später mit dem Zug nach). Gleich wie oft und wie lange ich nach Rom fahre: Jedesmal habe ich das Gefühl, dass ich zu kurz dort bin. Das liegt zum einen natürlich daran, dass es selbst in einem ganzen Archäologenleben unmöglich wäre, alle Denkmäler der Ewigen Stadt zu sehen. Zum anderen liegt es aber auch an den gesellschaftlichen Ereignissen und der hohen Dichte an deutschen Archäologen, Historikern oder anderen Geisteswissenschaftlern. Entsprechend bin ich in Rom meist schon ausgiebig damit beschäftigt, mich zum Espresso oder zum Essen einladen zu lassen. Nein, ich schnorre mich dort nicht absichtlich durch, weil die Börse eines Reisestipendiaten nicht allzu üppig gefüllt ist! Ob Ihr es glaubt oder nicht, das ergibt sich dort meist ganz von allein so ...

Untergekommen sind wir im Villino Amelung, dem günstig gelegenen Gästehaus des DAI. Von dort ist man schnell zu Fuss an der Stazione Termini, mit der Metro nahezu überall in Rom, aber mit dem Auto auch in nicht einmal einer halben Stunde in Tivoli oder anderen Stätten im Umland.

Der Palast der Barberini über den Resten des Fortunaheiligtums
Tatsächlich haben Sabine und ich denn auch die knapp zwei Wochen genutzt, um Latium, die antike Landschaft um Rom, besser kennenzulernen. Unser erster Ausflug hat uns nach Praeneste (heute: Palestrina) geführt. Dort haben sich nicht nur am Hang eines Berges verschiedene Überreste der antiken Stadt erhalten. In höchst beeindruckender Lage errichtete man oberhalb der Stadt ungefähr gegen Ende des 2. Jh. v. Chr. ein großes Heiligtum der Fortuna, das über mehrere Terrassen hinweg eine Flanke des Berges einnimmt und damit aus vielen Kilometern Entfernung zu sehen ist. Das römische Adelsgeschlecht der Barberini setzte dem dann in der frühen Neuzeit, fast schon im wahrsten Sinne des Wortes, die Krone auf: Sie errichteten ihren Palast einfach auf dem höchsten Punkt des Heiligtums, von wo sie bis zur thyrrenischen Küste blicken konnten.
 
Die Nekropole von Caere in der Abendsonne
Ein weiterer Ausflug war den Etruskern gewidmet, in der mythischen Frühzeit Rivalen der Latiner, der Bewohner Roms und Latiums. Die vielleicht beeindruckendsten Hinterlassenschaften dieses Volkes sind wohl die monumentalen Grabanlagen, die außerhalb der beiden antiken Städte Tarquinia und Caere liegen (während von den etruskischen Städten selbst kaum etwas erhalten ist). Die beiden wichtigsten Nekropolen (= Totenstädte) von Tarquinia und Caere ergänzen sich heute hervorragend. In Tarquinia sind die Malereien im Inneren der unterirdischen Grabkammern herausragend erhalten. Sie zeigen neben jenseitsorientierten Bildern auch Szenen, die auf die Welt der Lebenden verweisen. Dadurch können wir nicht zuletzt verstehen, welche Bedeutungen etwa Gastmähler in der etruskischen Gesellschaft einnahmen. In der Necropoli della Banditaccia in Caere haben sich zwar nicht mehr sonderlich viele Malereien erhalten, dafür ist hier die aufgehende Gestalt der Grabanlagen zu sehen. Hunderte von monumentalen Grabbauten unterschiedlichster Form reihen sich hier an zahlreichen Straßen auf und vermitteln dem Besucher das Gefühl, sich tatsächlich in einer Stadt der Toten zu bewegen. Wir streiften als einzige Besucher in der Abendsonne durch die Straßen und Gassen der Nekropole - eine einzigartige Atmosphäre!

Zwei sogenannte Tombe a Dado (Würfelgräber) in Caere

An den verbliebenen Tagen in Rom erhielten wir von Klaus Stefan Freyberger, dem zweiten Direkter des DAI Rom, eine Führung über das Forum Romanum und besuchten Terracina, Sperlonga und Tivoli. Um mich ein wenig kürzer zu fassen: In Terracina haben sich die Reste einiger Tempel und das gesamte Platzpflaster des römischen Forums erhalten, auf dem die Jugend der Keinstadt noch heute Fußball spielt. In Sperlonga und Tivoli sind dagegen die Reste zweier berühmter Kaiservillen zu sehen. Beide Anlagen sind derart spektakulär, dass jeder Versuch, sie hier in wenigen Worten zu beschreiben, zum Scheitern verurteilt wäre. Ich begnüge mich jetzt mit diesen wenig zufriedenstellenden Urteilen und vertröste Euch auf den nächsten Post, in dem wir endlich nach Griechenland übersetzen werden.

Euch allen herzliche Grüße aus Athen!



Freitag, 1. November 2013

Kanali, Provinz Preveza, Nordwestgriechenland

Inzwischen haben Elisa und ich Rom verlassen und sind nach Griechenland weitergereist. Derzeit befinden wir uns in einer netten kleinen Ferienwohnung in der Villa Pappas, im inzwischen nahezu verwaisten Badeort Kanali nahe der lebendigen kleinen Hafenstadt Preveza. Um nachzuerzählen, wie wir bis hierher gelangt sind, muss ich jedoch zunächst an den letzten Eintrag anknüpfen.


Also zurück nach Norditalien: Nachdem ich gemeinsam mit den Friedls Aquileia besichtigt hatte, brachte ich sie zur Stazione Centrale von Padova. Von dort aus fuhr ich zunächst allein weiter, begleitet vom sich zunehmend verschlechternden Wetter. Auf dem Weg nach Prato, wo Elisa mich erwartete, musste ich mit unserem kleinen Toyota Corolla (Fiore) den Apennin überqueren. Bei Hochnebel, Sturm und starkem Regen mühte sich unser Corolla die hohen Pässe hinauf. An der Grenze zwischen Emilia Romagna und Toscana dann die ersten Sonnenstrahlen des Tages. Gegen Abend kam ich dann reichlich müde in Prato an.


Hier blieb ich bis zum 16. Oktober. Wir feierten Elisas Geburtstag - zunächst mit ihren Freunden, dann mit der Verwandtschaft in San Giustino Valdarno bei der nonna. Wie üblich wurde dort reichlich gekocht. Alles in Allem blieb ich knappe neun Tage bei Elisa und meiner Schwiegermutter Monica. Zur gleichen Zeit weilte meine Mit-Reisestipendiaten Sabine Neumann im nahen Pistoia, wohin sie aus dem teuren und stets überfüllten Florenz geflüchtet war. Neben den obligatorischen Besuchen bei der Verwandtschaft nützte ich die Zeit in der Toscana, um einige kulturell interessante Stätten in der näheren Umgebung zu besuchen. Sabine begleitete mich nach Luni und nach Lucca.

Bei Luni, dem modernen Carrara, befinden sich am Fuss der apuanischen Alpen und nahe der ligurischen Küste die ältesten Marmorbrüche Italiens, die von den Römern im 1. Jh. v. Chr. erschlossen wurden. Erst die Ausbeutung dieser Brüche gestattete es Augustus und seinen Nachfolgern, Rom von einer Stadt aus Ziegeln in eine marmorne Metropole zu verwandeln. Selbstverständlich gründeten die Römer in der Nähe der Brüche eine Siedlung, die bis weit ins Mittelalter bewohnt war. Es überrascht denn auch kaum, dass die Reste der antiken Stadt überreich mit Marmor ausgestattet sind. Ausgegraben wurde nur ein kleiner Teil des Stadtareals. Hier ist neben dem eben erwähnten Dekor vor allem zu sehen, wie antikes Krisenmanagment funktionierte: Nach einem Erdbeben im 5. Jh. n. Chr. wurden öffentliche Gebäude und Plätze offenbar nicht mehr in der ursprünglichen Form wiederaufgebaut, sondern, um die Kasse der Stadt zu schonen, Privatleuten als Baugrund überlassen. Dass die Bauten dabei einer neuen, privaten Nutzung zugeführt worden, wurde offensichtlich als das kleinere Übel angesehen.


Piazza Anfiteatro (Lucca)

Lucca liegt etwa auf halbem Weg zwischen Prato und Luni. Die Stadt zeichnet sich unter anderem durch die am besten erhaltene neuzeitliche Stadtbefestigung Europas aus. Von den antiken Bauten ist dagegen nur noch wenig zu sehen. Kurios ist jedoch die Piazza Anfiteatro: Die Ränge des römischen Amphitheaters, der ovalen Arena, wurden im Mittelalter durch Wohnhäuser überbaut, die noch heute erhalten sind. Nicht überbaut wurde dagegen der Schauplatz in der Mitte der Anlage, so dass die mittelalterlichen Häuser heute einen ovalen Platz einfassen und die Ausdehnung des antiken Amphitheaters noch genau nachvollziehen lassen.

Romanische Basilika San Michele in Foro (Lucca)

Überhaupt sind die mittelalterlichen Bauten die wahren Protagonisten von Lucca, vor allem die hohen, schlanken Geschlechtertürme mit ihren Dachgärten und die zahllosen romanischen Basiliken und Kapellen.





Von diesen beiden Orten abgesehen besuchten Elisa und ich auf dem Weg nach San Giustino den beschaulichen kleinen Ort Artimino: Ein Toscana-Kleinod, wie es der deutsche Urlauber besonders gerne sieht: Artimino liegt auf der Kuppe eines grünen, von lichten Olivenhainen und Weinstöcken bestandenen Hügels. Nach Norden öffnet sich der Ausblick auf das dicht besiedelte Tal der Flüsse Ombrone und Bisenzio, nach Osten auf die mediceische Villa La Ferdinanda, im Süden schweift der Blick hingegen über sanfte Weinberge und grüne Hügel. Auf den Resten einer etruskischen Siedlung, über die im modernen Museum des Dörfchens Einiges zu erfahren ist, wurde im Mittelalter ein befestigtes Städtchen angelegt.



Artimino und Villa La Ferdinanda

Schließlich fand ich auch noch die Zeit, Bologna zu besuchen. Seit meinem Auslandssemester im Winter 2006/07 war ich nicht mehr hier gewesen und auch damals hatte ich nur wenig Zeit gehabt. Die gewaltigen, allerdings nie vollendete gotische Basilika im Herzen der Stadt und das nahe gelegene archäologische Museum hatte ich bereits damals besichtigt, sind aber immer wieder lohnenswert. Im Museum wurde ich positiv überrascht: Einige Sektionen waren doch tatsächlich vor Kurzem erneuert worden. Tatsächlich erinnere ich mich noch sehr gut an die altbackene Dauerausstellung, die ich seinerzeit zu sehen bekam. Mit viel Gespür für Didaktik und informativen Texten hat man seitdem immerhin den ersten Saal renoviert. Außer diesen beiden alten Bekannten wollte ich - warum war mir selbst zunächst nicht ganz klar - den Komplex von Santo Stefano besuchen. Tatsächlich entpuppte sich diese Anlage von mehreren ineinander verschachtelten Kirchen, Kapellen und einem Baptisterium als der vielleicht spannendste Ausflug in die Geschichte Bolognas. Über den Resten eines heidnischen Heiligtums der ägyptischen Götten Isis hatten die Frühchristen hier um das 5. Jahrhundert eine erste Basilika errichtet. Über das gesamte Mittelalter hinweg wurde der Komplex ausgebaut und mit verschiedensten Elementen ausgestattet. Das vielleicht interessanteste Objekt ist eine Säule, an der Jesus unter Pontius Pilatus gegeißelt worden sein soll. Der Inschrift zufolge sollen jedem, der diese Säule besucht, 200 Jahre Fegefeuer erlassen werden! Na dann ...