Sonntag, 23. Februar 2014

Ach ja, Sizilien ... !

Liebe Freunde und Anverwandte,

nach langer Zeit finde ich nun auch endlich wieder die nötige Ruhe, um meinen Blog zu pflegen. Dass ich mich gerade in der malerischen Provence befinde, trägt sicherlich zu einer gewissen Gemütsruhe bei.

Ein etruskischer Altar auf der Akropolis von Marzabotto

Tatsächlich habe ich ja Einiges nachzuholen, schließlich habe ich all das, was sich seit dem Jahreswechsel zugetragen hat, nicht mehr dokumentiert. Nachdem der Rutsch ins Neue Jahr über die Runden gebracht war, verbrachten Elisa und ich zunächst noch einige Tage in Prato. Während Elisa fleißig an Ihrer Dissertation arbeitete, nutzte ich die Gelegenheit für ein paar weitere Ausflüge in Norditalien – zum Beispiel zu der etruskischen Stadt Marzabotto an den nördlichen Abhängen des Apennin, nach Padua, wo ich zugleich meinen alten Münchner Schützling Paolo besuchte, und nach Ferrara.
Das spätmittelalterliche Castello Estense in Ferrara

Die erste große Etappe dieses Jahres stellte jedoch Süditalien dar. Gemeinsam mit meinen beiden Mitstipendiaten Eric und Sabine wollte ich vier Wochen durch Apulien, die Basilicata, Kalabrien und Sizilien reisen. Als Florentiner im Herzen ließ es sich freilich nicht vermeiden, dass ich mit zahlreichen Vorurteilen gen Süden fuhr. Natürlich war zu befürchten, dass erstens nichts, aber auch wirklich gar nichts funktionieren würde; und dass zweitens, jede größere Stadt ein schmutziger, krimineller Sumpf sei. Die erste Befürchtung bewahrheitete sich jedoch nur sehr bedingt, die andere zum Glück gar nicht. Ganz im Gegenteil: In den vier Wochen von Mitte Januar bis Mitte Februar habe ich den Süden – insbesondere Kalabrien und Sizilien – sehr schätzen gelernt: Wir haben auf unserem langen Weg durch Süditalien zahlreiche herausragende Denkmäler und Naturschönheiten kennengelernt. Die Küche ist, zumal auf Sizilien, einfach nur großartig. Besonders in die Cannoli, mit Ricotta gefüllte, süße Waffelröllchen, könnte ich mich hineinlegen. Und zu guter letzt haben natürlich auch die menschlichen Begegnungen dazu beigetragen, dass mir diese Region besonders ans Herz gewachsen ist: Die Leute waren von einer unglaublichen Hilfsbereitschaft, Freundlichkeit und angenehmen Offenheit, dabei aber nie aufdringlich. Die netteste Begegnung hatten wir in einer Pizzeria in Kalabrien: Der junge Besitzer, offensichtlich ein Italiener, stellte sich im Gespräch als Marcello vor, der in Ottobrunn groß geworden war – und das mit einer Mischung aus leicht effeminiertem Habitus und münchnerischem Dialekt.


Das Castel del Monte von seiner Schokoladenseite

Um diesen Eintrag nicht allzu langatmig werden zu lassen, will ich nur noch einige ausgewählte Impressionen meiner Süditalien-Tour Revue passieren lassen. In Apulien begab ich mich zunächst einmal auf die Spuren Friedrichs II. von Hohenstaufen, Enkel Friedrich Barbarossas, deutscher Kaiser und zugleich König des Normannenreichs beider Sizilien. Der liebste Ort in seinem großen Reich, das sich von der Südspitze Siziliens bis zur Nordsee erstreckte, war ihm jedoch das sonnenverwöhnte Apulien. Dort hat der überaus gebildete und antikenbegeisterte Kaiser auf Schritt und Tritt seine Spuren hinterlassen. Eines der eindrucksvollsten Monumente ist die berühmte Festung „Castel del Monte“, in deren Architektur und Ausstattung römische, gotische und arabische Elemente miteinander verschmelzen. Den in der nahegelegenen Stadt Barletta aufgestellten „Koloss von Barletta“, das spätantike Bronzestandbild eines Kaisers, soll einer Überlieferung zufolge übrigens bei Ausgrabungen in Ravenna entdeckt worden sein, die Friedrich II. angeordnet hat. In gewissem Sinne also ein Kaiser als Archäologe …
Der Koloss von Barletta

Die Festungsmauern der Lukanersiedlung auf dem Monte Croccia
Nach den ersten Tagen in Apulien traf ich mit Sabine und Eric zusammen, die mich für die folgenden gut drei Wochen in ihrem VW Passat mitnahmen. Zunächst ging es die ionische Küste von Tarent bis nach Reggio Calabria hinunter. Hier reiht sich eine griechische Kolonie an die nächste – Tarent, Metapont, Sybaris, Siris, Kroton, Lokri und wie sie nicht alle heißen mögen. Dabei handelt es sich um Städte, die von griechischen Aussiedlern ab dem 8. Jh. v. Chr. gegründet wurden, da die eigene Heimat die zunehmend wachsende Bevölkerung nicht mehr versorgen konnte. In Süditalien stießen die Kolonisten zwar auf unendlich weite Ackerflächen und auf geschützte, natürliche Häfen, aber auch auf Einheimische. Diese waren mit der Landnahme durch die Griechen – so sind Einheimische nun mal – nicht immer einverstanden und setzten sich teils entschieden zur Wehr. Bei einem Abstecher ins Landesinnere machten wir uns auf die Suche nach einer indigenen Siedlung. Auf dem Monte Croccia stießen wir auf die wehrhaften Mauern einer befestigten Ortschaft der Lukaner, die sich über viele Generationen hinweg durch politisches Taktieren und Kampfgeschick gegen Griechen im Süden und Römer im Norden behaupten konnten.

Der sogenannte Tempel E von Selinunt

Die Griechenstädte Süditaliens müssen sagenhaft reich gewesen sein. Auf dem Festland lässt sich dies nur noch aufgrund der zahllosen Grabbeigaben aus Gold und anderen teuren Materialien sowie aufgrund der gewaltigen Ausdehnung der ummauerten Stadtareale erahnen. Eine Fläche von 100 Hektar scheint jedenfalls nicht unüblich gewesen zu sein. Eine konkretere Vorstellung erhielten wir erst auf Sizilien. In Syrakus, Agrigent und Selinunt – um nur die drei berühmtesten Griechenstädte der Insel zu nennen – reiht sich ein Tempel an den nächsten. Gewaltige Befestigungsanlagen, die zu ihrer Zeit zu dem Modernsten zählten, was der Festungsbau zu bieten hatte, schützten diese Städte im 4. Jh. v. Chr. Mindestens ebenso präsent sind auf Sizilien jedoch die Spuren der Römer, etwa in den Theatern von Taormina und Catania oder in den prächtigen spätantiken Villenanlagen von Piazza Armerina und Patti Marina. Und dann ist da natürlich auch noch das mittelalterliche Sizilien, in das sich die Araber ebenso wie die Normannen und Friedrich der II. eingeschrieben haben. Ach ja, auf Sizilien lassen sich im Übrigen auch die barocken Zentren von Noto, Ragusa und Catania bewundern. Kurz und gut: Diese Insel ist ein Freiluftmuseum der abendländischen Geschichte und auch nach zwei Wochen auf Sizilien hatte ich irgendwie noch das Gefühl, mit meinen Erkundungen gerade erst begonnen zu haben …
Das barocke Noto

Liebe Grüße, wo auch immer Ihr gerade seid,

Euer Marcel

Montag, 23. Dezember 2013

Eine vorweihnachtliche Türkeirundfahrt


Liebe Leser,

in den vergangenen vier Wochen waren wir überaus umtriebig, so dass ich nicht dazu kam, diesen Blog zu aktualisieren. Erst jetzt, nachdem wir wohlbehalten aus dem östlichen Mittelmeerraum zurückgekehrt sind, finde ich wieder ein wenig Zeit zum Schreiben.

Die frühchristliche Basilika B in Philippi, 6. Jh. n. Chr.


Doch der Reihe nach: Am 28. November verließen wir Athen nach knapp einem Monat, um uns weiter nach Osten vorzuarbeiten. Da die Fährverbindungen nach Cesme im Winter gar nicht oder bestenfalls spärlich verkehren, wollten wir über Nordgriechenland auf dem Landweg in die Türkei gelangen und dabei noch die ein oder andere archäologische Stätte besichtigen. Das makedonische Kernland mit Vergina, Dion und Pella übergingen wir dabei, da wir diese Region bereits 2009 ausführlicher bereist haben. Wir fuhren also bis auf die Chalkidike, wo uns der erste Wintereinbruch des Jahres im wahrsten Sinne des Wortes eiskalt erwischte. Nach einem milden und überaus angenehmen November in Athen fanden wir uns nach einigen Stunden bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt wieder. Wir verbrachten eine frostige Nacht, gefolgt von einem kaum weniger angenehmen Tag. Bei einem eisigen Nordwindes mussten wir für die beiden geplanten Besichtigungen von Olynth und Amphipolis unsere ganze fachliche Begeisterung motivieren. Entsprechend erschöpft kamen wir am Abend desselben Tages in Philippi an, das wir am nächsten Tag besuchten. Der archäologische Park von Philippi, das vor allem als eine der Etappen des Apostels Paulus Berühmtheit erlang hat, war zweifellos eine der schönsten und eindrucksvollsten Stätten, die wir während der ersten drei Monate besucht haben. Gleich vier gut erhaltene frühchristliche Kirchen, ein Theater, das Forum und weite Teile des Stadtareals sind hier zu besichtigen und vermitteln ein lebendiges Bild von kaiserzeitlich-spätantiken Städten. Für uns, die wir uns besonders für diese Zeit interessieren, eine wahre Fundgrube. Gerne hätten wir gleich mehrere Tage dort verbracht. Die ohnehin schon knapp bemessene Zeit, die wir für die Türkei eingeplant hatten, trieb uns jedoch noch am selben Nachmittag voran.

Noch bei Sonnenuntergang erreichten wir am 1. Dezember die Grenze zwischen Griechenland und der Türkei. Da sie zugleich eine der Außengrenzen der EU ist, kann sich der Grenzübertritt hier schonmal in die Länge ziehen. Wir passierten also einen Grenzfluss, einen griechischen und etwa vier türkische Grenzposten, an denen aber auch alles überprüft wurde. Nachdem zunächst unsere Personalien und unser Kofferraum überprüft worden waren, ging es an die Fahrzeugpapiere. Da ich nicht als Fahrer des Wagens eingetragen war, wollte uns die türkische Grenzpolizistin schon nicht passieren lassen. Als sie dann bemerkte, dass die junge Dame, die ich als meine Ehefrau angab, nicht einmal meinen Familiennamen trug, wurde die Situation zunehmend unangenehm. Nachdem Elisa selbst bestätigt hatte, dass sie tatsächlich meine Frau sei, und ich meinen unschuldigsten Hundeblick aufgesetzt hatte, durften wir letzten Endes doch alle drei passieren. Glück im Unglück!


Die frühbronzezeitlichen Mauern von Troja I, erste Hälfte des 3. Jt. v. Chr.

Nach am selben Abend fuhren wir nach Eceabat und überquerten die Dardanellen, um uns in Canakkale in einem Hotel einzumieten. Mit der schön herausgeputzten, lebendigen, aber nicht allzu großen Hafenstadt, vor allem aber mit gemäßigten Temperaturen zeigte sich die Türkei gleich von ihrer besten Seite. Am nächsten Morgen besichtigten wir, nur eine halbe Autostunde von Canakkale entfernt, Troja! Nach den Tiryns, Mykene und dem Schliemann-Haus in Athen der Abschluss unserer Schliemann-Gedenktour. An ein und derselben Stelle sind hier die Reste von über 3000 Jahren Stadtgeschichte zu sehen, in der archäologischen Forschung Troja I bis Troja IX genannt. Auch wenn von einzelnen dieser Phasen nur mehr wenig zu sehen ist, hinterließ der Besuch der Stätte doch einen bleibenden Eindruck von der langen Kontinuität dieser Stadt von der frühen Bronzezeit bis in die Zeit Alexanders des Großen und der römischen Kaiser, die hier die mythischen Heroen der homerischen Epen verehrten.
Die bronzezeitlichen Mauern von Troja II und III, mittleres 3. bis frühes 2. Jt. v. Chr.

In Gedanken über das Wesen des kulturellen Gedächtnisses versunken fuhren wir nach Pergamon weiter, wo uns der Winter wieder einholen sollte. Die Ankunft in Pergamon war für mich, nach den drei hier verbrachten Feldforschungskampagnen, wie eine Heimkehr. Dies war umso mehr der Fall, als wir in unserer Herberge zufällig die Keramologin Güler trafen, die ich noch von meinen pergamener Kampagnen her kannte. Natürlich musste ich Elisa auch die Stammwirtschaft unserer Surveymannschaft zeigen - Arzu's Pidebude - wo man mich nach immerhin vier Jahren noch wiedererkannte und äußerst zuvorkommend behandelte. Während wir in Pergamon von einigen alten Bekannten sehr herzlich empfangen wurden, erwies sich das Wetter als überaus unfreundlich. So stiegen wir schließlich bei unangenehm kühlen Temperaturen und Windgeschwindigkeiten von 50 Stundenkilometern auf den Burgberg, den Elisa ja aus eigener Anschauung noch nicht kannte.
Eine Zisterne in Selcuk mit Besucherin

Der Apollontempel von Didyma
Tags darauf fuhren wir mit einem kleinen Umweg über die lydische Königgsstadt Sardis, Residenz des sprichwörtlich steinreichen Kroisos, nach Selcuk bei dem antiken Ephesos. Das kleine Antik Hotel Efes im Herzen des sympathischen Städtchens Selcuk sollte sich aufgrund seiner strategisch günstigen Lage, der günstigen Konditionen und des vergleichsweise gut temperierten Zimmers zu unserem wichtigsten Stütz- und Rückzugspunkt in der Westtürkei entwickeln. Der Besitzer Gürsel, ein einfacher aber herzlicher Zeitgenosse, nahm uns freundlich auf und gestattete uns auch, die Küche zu benutzen. Seine Frau bereitete uns jeden Morgen das traditionelle türkische Frühstück mit Gurken, Feta und Tomaten zu und wusch uns gegen ein kleines Entgelt die Wäsche. Alles in allem: Der ideale Ausgangspunkt für unsere Erkundungstouren in der Westtürkei. Von hier aus besuchten wir nicht nur die faszinierenden Ruinen der antiken Metropole Ephesos, die letzte erhaltene Säule des Artemistempels von Ephesos (eines der sieben Weltwunder der Antike) und die gewaltige Johannesbasilika. Im Zuge zahlreicher Tagesausflüge besichtigten wir auch den riesenhaften Apollontempel von Didyma, die sumpfige Großstadt Milet und das gut erhaltene Priene, Magnesia am Mäander mit seinem beeindruckenden Stadion und das Orakelheiligtum des Apollon von Klaros. Eine dreitägige Exkursion führte uns von Selcuk in's Landesinnere der antiken Kulturlandschaften Phrygien (Pamukkale, Hierapolis und Laodicea) und Karien (Aphrodisias und Nysa). Diese Orte und unsere Eindrücke kann ich hier unmöglich angemessen beschreiben, so dass die Bilder für sich sprechen müssen. Mit jedem Tag wurde in der Türkei auf's Neue klar, dass es in den geplanten drei Wochen unmöglich war, den historischen, kulturellen und landschaftlichen Reichtum dieses großen Landes auch nur ansatzweise zu fassen. Wir waren insofern letzten Endes froh, dass wir uns darauf beschränkt hatten, zumindest die wichtigsten westtürkischen Kulturlandschaften ein wenig besser kennenzulernen, bevor es nach Istanbul ging.

Auf dem Weg dorthin legten wir einen Zwischenstopp in Bursa ein. Auf dem Weg dorthin passierten wir verschneite Landschaften, die an den winterlichen Chiemgau erinnerten. In Bursa selbst holte uns das Großstadtleben ein. Die Stadt, die in den frühen 1980er Jahren gerade einmal eine halbe Million Einwohner zählte, beherbergt heute etwa zwei Millionen Menschen - eine Bevölkerungsentwicklung, die für andere türkische Metropolen wie Istanbul, Ankara oder Izmir durchaus charakteristisch ist. Der Ausbau der Infrastruktur konnte mit dieser Entwicklung ganz offenbar nicht Schritt halten, so dass wir bestenfalls im Schritttempo nach Bursa einfuhren. In Ermangelung einer vernünftigen Planung checkten wir im erstbesten Hotel ein, das sich im Gegensatz zu unseren bisherigen Unterkünften als geradezu luxuriös erwies. Auch die Stadt stellte sich als reizvoll heraus, besonders dank einiger alter Moscheen und des ausgedehnten Bazarviertels. Prunkstück dieses Quartiers ist der Koza Hani, der Seidenbasar, den wir natürlich auch besuchten.

Obwohl Istanbul nur gut zwei Autostunden von Bursa entfernt liegt, erreichten wir die Istanbuler Dependance des Deutschen Archäologischen Instituts erst gegen 17.00 Uhr: Entsprechend der Größenverhältnisse war auch der Stadtverkehr in Istanbul um ein vielfaches schlimmer, als der in Bursa. Dennoch: Eineinhalb Stunden, nachdem wir die Stadtgrenze passiert hatten, fanden wir in diesem Meer aus Plattenbauten und Wolkenkratzern auch den Taksim Platz und die Deutsche Botschaft, in der das DAI untergebracht ist. Schon bei meinem ersten Aufenthalt im DAI Istanbul vor einigen waren fühlte sich das Institut wie ein kleines Stück Deutschland an. So auch diesmal: Nach drei Wochen, in denen wir von einer günstigen Pension zur nächsten gezogen waren, waren wir nun selig ob der sauberen Küche und Bäder sowie des gut ausgestatteten Zimmers mit Blick auf den Bosporus. Vier Tage verbrachten wir hier - viel zu wenig, um Istanbul kennenzulernen, aber für Elisa immerhin die Möglichkeit, sich einen ersten Eindruck zu verschaffen.

Am 19. Dezember verließen wir diese laute und hektische, viel zu volle aber zauberhafte Stadt in Richtung Griechenland. Nach zwei langen Etappen, die wir gänzlich auf der jahrtausendealten Via Egnatia zurücklegten, gelangten wir am Abend des 20. Dezembers wieder im Epirus an. Um die Wartezeit zu verkürzen - unsere Fähre nach Ancona sollte erst in der Nacht vom 21. auf den 22. Dezember ablegen - besichtigten wir noch schnell das mutmaßliche Totenorakel (Nekromanteion) von Ephyra. Hier überraschten uns dann doch noch einmal geradezu frühlingshafte Temperaturen. Einige lange Stunden des Wartens später schifften wir uns in Igoumenitsa ein, müde und erschöpft, aber voller großartiger Eindrücke ...

Inzwischen sind wir wieder in Italien angekommen und können die ersten drei Monate des Reisestipendiums nun, während einiger ruhigerer Tage, Revue passieren lassen.

Euch allen wünschen wir ebenso ein paar ruhige und schöne Feiertage!
Lasst es Euch gut gehen!
Der Bosporus bei Nacht

Liebe Grüße,

Marcel und Elisa


Donnerstag, 28. November 2013

Athen - Auf ein Neues ...

Liebe Leser!

Nun sind wir schon seit knappen vier Wochen in Athen und mit der Zeit ist mir auch diese Stadt ein wenig heimisch geworden: Ich kenne inzwischen die Wege von einem Ort zum anderen, hin und wieder auch die besten und kürzesten. Das Stadtbild ist mir vertraut, die Position der verschiedenen Einkaufsmöglichkeiten bekannt. Für Elisa ist das natürlich alles nichts Neues, sie hat hier ja schon mit den Amerikanern auf der Agora ausgegraben und einige längere Forschungsaufenthalte verbracht. Zum ersten Mal sind wir aber nun zusammen für einen längeren Zeitraum hier.

Da wir hier über eine eigene kleine Wohnung verfügen, konnten wir die vergangenen Wochen beinahe ein normales Leben führen. Besonders froh sind wir über die Küche, auch wenn sie weder besonders geräumig, noch sonderlich gut ausgestattet ist. Aber allein der Umstand, nicht ständig auf Pita Gyros, Tiropita und das sonstige, durchweg ölige Fastfood angewiesen zu sein, ist uns sehr viel wert. Von der Xenophobie insbesondere gegenüber uns Deutschen, die ja nördlich der Alpen immer wieder beschworen wird, habe ich in diesem gesamten Monat nichts gespürt. Ganz im Gegenteil: Man kann sich als aufgeklärter Mitteleuropäer in diesem Land sicherlich über das ein oder andere beschweren, etwa über den etwas zu kreativen Fahrstil vieler Griechen oder über die fehlende Sensibilität für das Trennen des Mülls; aber eine feindselige Haltung, die Fremden gegenüber offen an den Tag gelegt wird, kann man den Griechen sicher nicht vorwerfen. Trotzdem hält sich bei uns seit einigen Jahren hartnäckig das unbestimmte Gefühl, die Griechen würden uns nun hassen. Am liebsten möchte man die mittelmäßigen Schreiberlinge, die mit Blick auf die Auflage ihrer Zeitschriften diesen Unglauben nähren, bis ans Ende ihrer Tage zum Trennen des Mülls auf attische Müllkippen versetzen.
Laufende Forschungen auf der Agora von Athen

Während sich Elisa in den letzten Wochen vor allem Ihrer Dissertation widmete, nutzte ich die Zeit zunächst, um Athen, Attika und die nähergelegenen Regionen Griechenlands besser kennenzulernen. In ersterem Fall ließen sich unsere beiden Anliegen gut verbinden und so haben wir einige Denkmäler, die Elisa in Ihrer Arbeit behandelt, zusammen besucht und eingehend in Augenschein genommen. Freilich gab es hier auch noch einige weniger bekannte Museen, die ich bislang noch nicht persönlich besuchen konnte. Das wollte ich im Zuge meines Athen Aufenthalts unbedingt nachholen: So habe ich etwa das Benaki-Museum besichtigt, das die Geschichte Griechenlands bis in die heutige Zeit visualisiert. Gestern war ich in der Stadtvilla unseres Kollegen Heinrich Schliemann, in dem heute ein numismatisches Museum untergebracht ist.



Kap Sounion
Vor allem wollte ich die Gelegenheit aber nutzen, um mir ein vernünftiges Bild von der Topographie Attikas zu verschaffen, also der Halbinsel, auf der Athen liegt. Ich unternahm daher, während Elisa die Bibliotheken des DAI und der Scuola Archeologica d'Atene unsicher machte, diverse Tagesausflüge in alle Himmelsrichtungen: Nach Westen, zum Heiligtum der Demeter in Eleusis, wo sich die Athener in den dort praktizierten Mysterienkult einweisen ließen, und nach Piräus, dem antiken Hafen der Stadt; nach Osten, zum Artemisheiligtum von Brauron, in dem die Athener ihre Mädchen erziehen ließen, und zum Schlachtfeld von Marathon, an dem Athener 490 v. Chr. die zahlenmäßig weit überlegenen Perser schlugen und somit den Mythos eines kulturellen Gegensatzes zwischen Orient und Okzident begründeten; nach Süden, zum Poseidonheiligtum von Sounion, das heute auf einem malerischen Kap liegt, in der Antike aber von einem gewaltigen Bergbaurevier gerahmt wurde. Es ist interessant zu beobachten, wie sich beim Besuch dieser Orte nach und nach ein Puzzleteil zu dem anderen fügt. Trotz des Studiums hatte ich bislang nur ein sehr lückenhaftes Bild von dem, was Athen in klassischer Zeit war. Freilich, man hört und liest von Perikles, der Akropolis und der Agora. Aber wie diese Stadt funktionierte und dass die idealisierten Bewohner des klassischen Athen letztlich auch nur ganz gewöhnliche Menschen waren, erschloss sich mir erst durch den Besuch all dieser Orte. Wer denkt schon beim Blick auf Kap Sounion daran, dass der Himmel über dem Tempel in klassischer Zeit von finsterem Rauch bedeckt gewesen sein muss? In nahezu kapitalistischer Manier wurden über zwei Jahrhunderte hinweg die nahegelegenen Berge ausgebeutet und überall Silber- und Eisenerz verhüttet!

Der Poseidontempel von Kap Sounion


Von diesen näheren Orten im Umland Athens abgesehen, musste ich natürlich auch einige Highlights besuchen, die ich bei meinen bisherigen Aufenthalten in Griechenland nicht gesehen hatte. Dazu zählten zunächst die beiden panhellenischen (= gesamtgriechischen) Heiligtümer von Nemea und Isthmia, an denen Griechen aus allen Teilen des Mittelmeerraums wie in Olympia und Delphi im Vierjahres-Rhythmus zu internationalen Spielen zusammenkamen. Die Nemeischen Spiele werden übrigens seit einigen Jahren - gewissermaßen als Gegensatz zu den kommerziell ausgeschlachteten olympischen Spielen - wieder veranstaltet. Nicht nur der Sieger, sondern alle Teilnehmer erhalten nach antiker Tradition einen Kranz aus Sellerie ... irgendwie sympathisch.


Akrokorinth (zumindest ein kleiner Teil davon)

Schließlich haben Elisa und ich zwei gemeinsame Ausflüge unternommen. Der erste Ausflug führte uns nach Korinth, der Stadt nach der eine Rosinensorte benannt ist: In der Antike aufgrund seiner Lage an der Landenge des Isthmos eine der größten und wichtigsten Metropolen des Mittelmeerraums, heute ein kleines Städtchen ohne nennenswerte Bedeutung. Das Ausgrabungsareal ist zwar sehr interessant, aber mindestens ebenso unübersichtlich und daher für Besucher leider nur schwer verständlich. Das wahre Highlight des Tages war der Aufstieg nach Akrokorinth, auf den Burgberg der Stadt. 600 m über dem Meer liegen auf diesem steil aufragenden Bergkegel die größten Festungsanlagen Griechenlands. Aufgrund der einmaligen Lage wurde die antike Burg denn auch von den wechselnden Herren Griechenlands - Byzantinern, Franken, Venezianern und Türken - übernommen und ausgebaut. Vom Gipfel aus ergab sich ein wunderbarer Blick auf die benachbarten Berge, den Isthmos und die zwei großen Buchten, die sich hier fast berühren.


Triumph über den Berg
Ein dreitägiger Ausflug führte uns zuletzt nach Südwesten. Wir hatten uns vorgenommen, zumindest den wichtigsten Stätten der Peloponnes einen Besuch abzustatten, die Rechnung aber ohne das Wetter gemacht. So ergab es sich dann, dass wir eine ganze Reihe bezaubernder Orte im teils strömenden Regen besuchen mussten. Darunter die antike Großstadt Messene, das mürrische Sparta und die byzantinische Geisterstadt Mystra. Letzte war zumindest in thematischer Hinsicht eine willkommene Abwechslung nach all den antiken Stätten. Die bei Sparte gelegene, hervorragend erhaltene mittelalterliche Ruinenstadt Mystra zeigt, dass Griechenland mehr, als nur antike zu bieten hat. Aufgrund des Wetters mussten wir uns allerdings sputen, um nicht bis auf die Knochen durchnässt zu werden. Immerhin verdanken wir der Witterung ein paar sehr stimmungsvolle Photographien. Am Abend desselben Tages kamen wir in Nauplion an, der ersten Hauptstadt Griechenlands in der Neuzeit. Der Ort ist bekannt für seine malerische Altstadt, wovon wir uns bei einem abendlichen Spaziergang überzeugen konnten. Inzwischen hatte sich auch das Wetter wieder gebessert, so dass wir am dritten Tag bei strahlendem Sonnenschein zunächst das Bayerische Kriegerdenkmal von Nauplion, die bronzezeitlich Festung Tiryns und das antike Argos besuchen konnten. Mykene, die Königsstadt des mythischen Agamemmnon, stellte vor unserer Rückfahrt nach Athen die letzte Etappe dar. Dank des schönen Wetters ein versöhnlicher Abschluss unserer Rundfahrt und unseres Aufenthalts in Athen, denn morgen brechen wir in Richtung Türkei auf.

Wir hoffen, Euch allen geht es gut, wo auch immer Ihr seid.

Liebe Grüße von uns Reisenden!

Mystra im Regen

Dienstag, 12. November 2013

Athen: Es herbstelt

Inzwischen sind wir dann auch schon seit zwei Wochen in Griechenland. Am 28. Oktober sind Elisa und ich von Rom abgefahren, um uns über Benevent und Bari nach Südosten vorzuarbeiten.

Der Trajansbogen von Benevent und der Autor des Blogs
Das kleine, schon reichlich süditalienische Benevent hat sich trotz geringer Erwartungen als historisch interessantes Städtchen inmitten des Hochlands östlich von Neapel erwiesen. Der Legende zufolge hieß die Stadt ursprünglich Maleventum ("schlechtes Ereignis"), wurde aber von den Römern nach dem erfolgreichen Ausgang einer Schlacht gegen den griechischen König Pyrrhus an diesem Ort in Beneventum ("gutes Ereignis") umgetauft. Aushängeschild der Stadt und UNESCO-Weltkulturerbe ist der berühmte Trajansbogen, mit dem der römische Senat im frühen 2. Jh. n. Chr. den Ausbau einer durch Benevent führenden, bedeutenden Fernstraße durch den gleichnamige Kaiser feierte. Besonders die Unterkunft - die malerisch in den grünen Hügeln gelegene, in dieser Jahreszeit ausgestorbene Ferienanlage Villa Merici bei San Leucio del Sannio - hat dazu beigetragen, dass wir Italien nur schweren Herzens verlassen haben. Die Anlage wurde erst vor kurzem erbaut und ich war doch tatsächlich der erste Gast aus Deutschland, wie uns die Wirtin erzählt hat. Dementsprechend ist alles neu, die Zimmer wunderschön, sauber und geschmackvoll eingerichtet. Die Wirtsleute waren von einer herausragenden Freundlichkeit und der für Süditalien fast schon üblichen Herzlichkeit. Der Koch des zugehörigen Restaurants war wohl schon im Urlaub, die Wirtin hat uns aber angeboten, uns zum Abendessen "schnell eine Kleinigkeit herzurichten, nichts Besonderes". Tatsächlich hat sie uns dann mit einem opulenten Diner aufgewartet, verschiedenste Spezialitäten der Region und ein herausragender Weißwein. Italien hätte sich schlechter verabschieden können ...

Am Abend des 29. Oktober schifften wir uns in Bari ein. Außer uns und einigen wenigen Rucksacktouristen waren vor allem übergewichtige LKW-Fahrer an Bord, die im Schlafsaal des Schiffs um die Wette schnarchten. Als wir nach der etwa achtstündigen Überfahrt gegen 5.30 Uhr in Igoumenitsa anlegten, waren wir alles andere als ausgeruht. Froh, die Schnarcher loszuwerden, begaben wir uns so schnell wie möglich in den Bauch des stählernen Ungetüms. In unserem Toyota mussten wir dann ein knappes Stündchen warten, bis wir als letzte von Bord gehen konnten. Ein spektakulärer Augenblick belohnte uns für die wenig erholsame Überfahrt: Wir fuhren genau in dem Moment nach Osten aus dem weit geöffneten Maul des Stahlkolosses in den Hafen von Igoumenitsa, als hinter den steil aufragenden Bergen die erste Morgenröte auftauchte. Griechenland versuchte bei unserer Ankunft, den Abschied aus Italien verblassen zu lassen.

Die Farben des Herbstes bei Dodona
Auf der Fahrt zum Zeusheiligtum von Dodona, das etwa 60 Kilometer landeinwärts in einem abgelegenen Hochtal liegt, überboten sich denn auch die landschaftlichen Eindrücke gegenseitig. Das schroffe Hochgebirge der nordgriechischen Region Epirus mit seinen felsigen Berggipfeln und den tief eingeschnittenen Tälern, in denen der Nebel erst langsam von den ersten Sonnenstrahlen vertrieben wurde, war ein einmaliges Erlebnis. Inmitten dieser atmosphärischen Landschaft lag Dodona, kultisches Zentrum von Epirus und eines der berühmtesten Orakelheiligtümer der griechischen Welt, das schon von Homer besungen wurde. Da wir bereits bei Öffnung der Ausgrabungsstätte vor dem Tor standen, konnten wir noch vor dem Mittagessen in das nahegelegene Ioannina weiterfahren, in dem wir unser erstes Quartier bezogen. Nicht einmal halb so groß wie Augsburg ist Ioannina für griechische Verhältnisse eine ausgewachsene Großstadt und dementsprechend geschäftig. Das moderne Museum beherbergt die wichtigsten archäologischen Funde der Region und bot sich damit als Ergänzung zu den monumentalen Resten von Dodona an.

Ein spätklassisches Wohnhaus in Orraon
Am nächsten Tag fuhren wir bereits weiter nach Süden, um meinen Geburtstag nahe der Küste in der kleinen Hafenstadt Preveza zu feiern, die wir bereits von einem früheren Besuch kannten. Einige Kilometer nördlich von Preveza mieteten wir uns für zwei Nächte zu sagenhaften Konditionen in der (wieder einmal verwaisten) Ferienanlage Villa Pappas ein, nur wenige Meter von der Adriaküste entfernt. Ein idealer Ort nicht nur, um beim Laufen am Strand die Sonne im Meer untergehen zu sehen, sondern auch als Ausgangspunkt für Ausflüge in der Region. Den Abend des 31. Oktober verbrachten wir in Preveza. Dort aßen wir unter freiem Himmel Meeresfrüchte, für die der Ort bekannt ist. Soweit ich mich erinnere das erste Mal, dass ich an meinem Geburtstag abends im Freien essen konnte. Zahlreiche archäologische Stätten in der näheren Umgebung lockten uns ebenfalls, zwangen uns aber zur Selektion. Die nächste Stätte, Nikopolis, kannten wir schon von einem früheren Besuch. Eine weitere, das sagenumwobene Nekromanteion von Ephyra, war geschlossen. Wir entschieden uns also letztlich für Kassope und Orraon: Zwei mittelgroße Städte der spätklassischen Zeit (4. Jh. v. Chr.), die das gewonnene Bild der Region ergänzen konnten. In Kassope waren Reste der Agora (des zentralen Platzes), in Orraon dagegen die Wohnhäuser besonders gut erhalten - beide Male vor einer großartigen landschaftlichen Kulisse.


Gut und gerne hätten wir noch länger in Epirus verweilen können, das uns durch seine Natur und die schön gelegenen antiken Orte verzaubert hat. Elisa erwartete in Athen jedoch noch viel Arbeit, auf mich warteten noch zahlreiche andere Orte, so dass wir uns am 2. November weiter nach Südosten vorarbeiteten. Am Abend desselben Tages kamen wir dann auch in Athen an. Hier bezogen wir sofort die kleine Einzimmerwohnung, die wir zu günstigen Konditionen angemietet haben. Die Eigentümerin Ambra, eine junge Italienerin, die an der Scuola Archeologica d'Atene (gewissermaßen dem Italienischen Archäologischen Institut Athen) arbeitet, vermietet die Wohnung in Zeiten ihrer Abwesenheit an Bekannte. Für uns ein Glücksfall, denn die Wohnung liegt zentral nur einen Steinwurf von der Akropolis entfernt in einem ruhigen Wohnviertel. Die Miete ist weitaus geringer, als der Betrag, den wir für die Nächtigung im Deutschen Archäologischen Institut zahlen müsste (auch wenn ich dort umsonst unterkäme). Die Küche ist ausreichend gut ausgestattet, um zumindest einige einfachere Gerichte zu kochen und so können wir uns hier selbst versorgen. Alles in allem ideale Bedingungen, um Athen, Attika und Mittelgriechenland zu besuchen. Doch dazu ein andermal mehr ...

Wir hoffen, Euch allen geht es gut, wo auch immer Ihr seid!
Liebe Grüße, tanti baci und bis bald,

Marcel und Elisa

Donnerstag, 7. November 2013

Athen im Spätsommer


Inzwischen sind wir dann auch in Athen angekommen. Das Wetter war bis vorgestern traumhaft - jedenfalls sehr viel besser als der größte Teil des Kölner Sommers ... Elisa kennt die Stadt ja ohnehin schon gut genug und ist froh, dass sie hier konzentriert arbeiten kann. Ich mache derweil Athen und Attika unsicher. Bevor ich davon berichte, will ich allerdings noch mein Versprechen einlösen und die restlichen Erlebnisse aus Italien nachtragen.

Am 16. Oktober fuhr ich mit Sabine nach Rom (Elisa kam einige Tage später mit dem Zug nach). Gleich wie oft und wie lange ich nach Rom fahre: Jedesmal habe ich das Gefühl, dass ich zu kurz dort bin. Das liegt zum einen natürlich daran, dass es selbst in einem ganzen Archäologenleben unmöglich wäre, alle Denkmäler der Ewigen Stadt zu sehen. Zum anderen liegt es aber auch an den gesellschaftlichen Ereignissen und der hohen Dichte an deutschen Archäologen, Historikern oder anderen Geisteswissenschaftlern. Entsprechend bin ich in Rom meist schon ausgiebig damit beschäftigt, mich zum Espresso oder zum Essen einladen zu lassen. Nein, ich schnorre mich dort nicht absichtlich durch, weil die Börse eines Reisestipendiaten nicht allzu üppig gefüllt ist! Ob Ihr es glaubt oder nicht, das ergibt sich dort meist ganz von allein so ...

Untergekommen sind wir im Villino Amelung, dem günstig gelegenen Gästehaus des DAI. Von dort ist man schnell zu Fuss an der Stazione Termini, mit der Metro nahezu überall in Rom, aber mit dem Auto auch in nicht einmal einer halben Stunde in Tivoli oder anderen Stätten im Umland.

Der Palast der Barberini über den Resten des Fortunaheiligtums
Tatsächlich haben Sabine und ich denn auch die knapp zwei Wochen genutzt, um Latium, die antike Landschaft um Rom, besser kennenzulernen. Unser erster Ausflug hat uns nach Praeneste (heute: Palestrina) geführt. Dort haben sich nicht nur am Hang eines Berges verschiedene Überreste der antiken Stadt erhalten. In höchst beeindruckender Lage errichtete man oberhalb der Stadt ungefähr gegen Ende des 2. Jh. v. Chr. ein großes Heiligtum der Fortuna, das über mehrere Terrassen hinweg eine Flanke des Berges einnimmt und damit aus vielen Kilometern Entfernung zu sehen ist. Das römische Adelsgeschlecht der Barberini setzte dem dann in der frühen Neuzeit, fast schon im wahrsten Sinne des Wortes, die Krone auf: Sie errichteten ihren Palast einfach auf dem höchsten Punkt des Heiligtums, von wo sie bis zur thyrrenischen Küste blicken konnten.
 
Die Nekropole von Caere in der Abendsonne
Ein weiterer Ausflug war den Etruskern gewidmet, in der mythischen Frühzeit Rivalen der Latiner, der Bewohner Roms und Latiums. Die vielleicht beeindruckendsten Hinterlassenschaften dieses Volkes sind wohl die monumentalen Grabanlagen, die außerhalb der beiden antiken Städte Tarquinia und Caere liegen (während von den etruskischen Städten selbst kaum etwas erhalten ist). Die beiden wichtigsten Nekropolen (= Totenstädte) von Tarquinia und Caere ergänzen sich heute hervorragend. In Tarquinia sind die Malereien im Inneren der unterirdischen Grabkammern herausragend erhalten. Sie zeigen neben jenseitsorientierten Bildern auch Szenen, die auf die Welt der Lebenden verweisen. Dadurch können wir nicht zuletzt verstehen, welche Bedeutungen etwa Gastmähler in der etruskischen Gesellschaft einnahmen. In der Necropoli della Banditaccia in Caere haben sich zwar nicht mehr sonderlich viele Malereien erhalten, dafür ist hier die aufgehende Gestalt der Grabanlagen zu sehen. Hunderte von monumentalen Grabbauten unterschiedlichster Form reihen sich hier an zahlreichen Straßen auf und vermitteln dem Besucher das Gefühl, sich tatsächlich in einer Stadt der Toten zu bewegen. Wir streiften als einzige Besucher in der Abendsonne durch die Straßen und Gassen der Nekropole - eine einzigartige Atmosphäre!

Zwei sogenannte Tombe a Dado (Würfelgräber) in Caere

An den verbliebenen Tagen in Rom erhielten wir von Klaus Stefan Freyberger, dem zweiten Direkter des DAI Rom, eine Führung über das Forum Romanum und besuchten Terracina, Sperlonga und Tivoli. Um mich ein wenig kürzer zu fassen: In Terracina haben sich die Reste einiger Tempel und das gesamte Platzpflaster des römischen Forums erhalten, auf dem die Jugend der Keinstadt noch heute Fußball spielt. In Sperlonga und Tivoli sind dagegen die Reste zweier berühmter Kaiservillen zu sehen. Beide Anlagen sind derart spektakulär, dass jeder Versuch, sie hier in wenigen Worten zu beschreiben, zum Scheitern verurteilt wäre. Ich begnüge mich jetzt mit diesen wenig zufriedenstellenden Urteilen und vertröste Euch auf den nächsten Post, in dem wir endlich nach Griechenland übersetzen werden.

Euch allen herzliche Grüße aus Athen!



Freitag, 1. November 2013

Kanali, Provinz Preveza, Nordwestgriechenland

Inzwischen haben Elisa und ich Rom verlassen und sind nach Griechenland weitergereist. Derzeit befinden wir uns in einer netten kleinen Ferienwohnung in der Villa Pappas, im inzwischen nahezu verwaisten Badeort Kanali nahe der lebendigen kleinen Hafenstadt Preveza. Um nachzuerzählen, wie wir bis hierher gelangt sind, muss ich jedoch zunächst an den letzten Eintrag anknüpfen.


Also zurück nach Norditalien: Nachdem ich gemeinsam mit den Friedls Aquileia besichtigt hatte, brachte ich sie zur Stazione Centrale von Padova. Von dort aus fuhr ich zunächst allein weiter, begleitet vom sich zunehmend verschlechternden Wetter. Auf dem Weg nach Prato, wo Elisa mich erwartete, musste ich mit unserem kleinen Toyota Corolla (Fiore) den Apennin überqueren. Bei Hochnebel, Sturm und starkem Regen mühte sich unser Corolla die hohen Pässe hinauf. An der Grenze zwischen Emilia Romagna und Toscana dann die ersten Sonnenstrahlen des Tages. Gegen Abend kam ich dann reichlich müde in Prato an.


Hier blieb ich bis zum 16. Oktober. Wir feierten Elisas Geburtstag - zunächst mit ihren Freunden, dann mit der Verwandtschaft in San Giustino Valdarno bei der nonna. Wie üblich wurde dort reichlich gekocht. Alles in Allem blieb ich knappe neun Tage bei Elisa und meiner Schwiegermutter Monica. Zur gleichen Zeit weilte meine Mit-Reisestipendiaten Sabine Neumann im nahen Pistoia, wohin sie aus dem teuren und stets überfüllten Florenz geflüchtet war. Neben den obligatorischen Besuchen bei der Verwandtschaft nützte ich die Zeit in der Toscana, um einige kulturell interessante Stätten in der näheren Umgebung zu besuchen. Sabine begleitete mich nach Luni und nach Lucca.

Bei Luni, dem modernen Carrara, befinden sich am Fuss der apuanischen Alpen und nahe der ligurischen Küste die ältesten Marmorbrüche Italiens, die von den Römern im 1. Jh. v. Chr. erschlossen wurden. Erst die Ausbeutung dieser Brüche gestattete es Augustus und seinen Nachfolgern, Rom von einer Stadt aus Ziegeln in eine marmorne Metropole zu verwandeln. Selbstverständlich gründeten die Römer in der Nähe der Brüche eine Siedlung, die bis weit ins Mittelalter bewohnt war. Es überrascht denn auch kaum, dass die Reste der antiken Stadt überreich mit Marmor ausgestattet sind. Ausgegraben wurde nur ein kleiner Teil des Stadtareals. Hier ist neben dem eben erwähnten Dekor vor allem zu sehen, wie antikes Krisenmanagment funktionierte: Nach einem Erdbeben im 5. Jh. n. Chr. wurden öffentliche Gebäude und Plätze offenbar nicht mehr in der ursprünglichen Form wiederaufgebaut, sondern, um die Kasse der Stadt zu schonen, Privatleuten als Baugrund überlassen. Dass die Bauten dabei einer neuen, privaten Nutzung zugeführt worden, wurde offensichtlich als das kleinere Übel angesehen.


Piazza Anfiteatro (Lucca)

Lucca liegt etwa auf halbem Weg zwischen Prato und Luni. Die Stadt zeichnet sich unter anderem durch die am besten erhaltene neuzeitliche Stadtbefestigung Europas aus. Von den antiken Bauten ist dagegen nur noch wenig zu sehen. Kurios ist jedoch die Piazza Anfiteatro: Die Ränge des römischen Amphitheaters, der ovalen Arena, wurden im Mittelalter durch Wohnhäuser überbaut, die noch heute erhalten sind. Nicht überbaut wurde dagegen der Schauplatz in der Mitte der Anlage, so dass die mittelalterlichen Häuser heute einen ovalen Platz einfassen und die Ausdehnung des antiken Amphitheaters noch genau nachvollziehen lassen.

Romanische Basilika San Michele in Foro (Lucca)

Überhaupt sind die mittelalterlichen Bauten die wahren Protagonisten von Lucca, vor allem die hohen, schlanken Geschlechtertürme mit ihren Dachgärten und die zahllosen romanischen Basiliken und Kapellen.





Von diesen beiden Orten abgesehen besuchten Elisa und ich auf dem Weg nach San Giustino den beschaulichen kleinen Ort Artimino: Ein Toscana-Kleinod, wie es der deutsche Urlauber besonders gerne sieht: Artimino liegt auf der Kuppe eines grünen, von lichten Olivenhainen und Weinstöcken bestandenen Hügels. Nach Norden öffnet sich der Ausblick auf das dicht besiedelte Tal der Flüsse Ombrone und Bisenzio, nach Osten auf die mediceische Villa La Ferdinanda, im Süden schweift der Blick hingegen über sanfte Weinberge und grüne Hügel. Auf den Resten einer etruskischen Siedlung, über die im modernen Museum des Dörfchens Einiges zu erfahren ist, wurde im Mittelalter ein befestigtes Städtchen angelegt.



Artimino und Villa La Ferdinanda

Schließlich fand ich auch noch die Zeit, Bologna zu besuchen. Seit meinem Auslandssemester im Winter 2006/07 war ich nicht mehr hier gewesen und auch damals hatte ich nur wenig Zeit gehabt. Die gewaltigen, allerdings nie vollendete gotische Basilika im Herzen der Stadt und das nahe gelegene archäologische Museum hatte ich bereits damals besichtigt, sind aber immer wieder lohnenswert. Im Museum wurde ich positiv überrascht: Einige Sektionen waren doch tatsächlich vor Kurzem erneuert worden. Tatsächlich erinnere ich mich noch sehr gut an die altbackene Dauerausstellung, die ich seinerzeit zu sehen bekam. Mit viel Gespür für Didaktik und informativen Texten hat man seitdem immerhin den ersten Saal renoviert. Außer diesen beiden alten Bekannten wollte ich - warum war mir selbst zunächst nicht ganz klar - den Komplex von Santo Stefano besuchen. Tatsächlich entpuppte sich diese Anlage von mehreren ineinander verschachtelten Kirchen, Kapellen und einem Baptisterium als der vielleicht spannendste Ausflug in die Geschichte Bolognas. Über den Resten eines heidnischen Heiligtums der ägyptischen Götten Isis hatten die Frühchristen hier um das 5. Jahrhundert eine erste Basilika errichtet. Über das gesamte Mittelalter hinweg wurde der Komplex ausgebaut und mit verschiedensten Elementen ausgestattet. Das vielleicht interessanteste Objekt ist eine Säule, an der Jesus unter Pontius Pilatus gegeißelt worden sein soll. Der Inschrift zufolge sollen jedem, der diese Säule besucht, 200 Jahre Fegefeuer erlassen werden! Na dann ...



Freitag, 25. Oktober 2013

Rom, caput mundi

Liebe Leser, liebe Freunde und Verwandte,

nach knapp drei Wochen ist es nun endlich soweit: Ich habe nun doch noch die Zeit und Muße gefunden, einen Blog zu erstellen, und hoffe, dass auch alles funktioniert. Schon in den ersten 20 Tagen hat mich meine Reise so vereinnahmt, dass ich abends kaum mehr geschafft habe, als in knappen Sätzen meinen analogen Reisebericht zu verfassen und die Fotos zu sortieren, die ich von den besuchten Stätten gemacht habe.

Meine Reise hat am Morgen des 6. Oktober in München begonnen. In Begleitung von Kathi und Johannes Friedl bin ich gen Aquileia aufgebrochen, in römischer Zeit ein Hafen von Weltgeltung, im 4. Jahrhundert n. Chr. sogar Kaisersitz und heutzutage ein Dorf, das gerade einmal 3000 Seelen beherbergt. Ein guter Einstieg, denn hier begegnet man auf Schritt und Tritt Überresten der glorreichen Vergangenheit und insbesondere der Spätantike, die ich ja besonders schätze. Die Reste des antiken und frühchristlichen Aquileia zählen heute zum UNESCO-Weltkulturerbe, was in Anbetracht des Erhaltenen kaum überrascht. Dazu zählt nicht zuletzt das mit etwa 700 m² vielleicht größte frühchristliche Mosaik der Welt, Reste des römischen Forums, der Hafenanlagen, zahlreicher Wohnhäuser und ein bemerkenswertes Museum, das nahezu jeden Aspekt des römischen Lebensalltags in einer Metropole beleuchtet.

Der Basilikakomplex von Aquileia